Mark Kozelek & Sean Yeaton - Yellow kitchen
Caldo Verde / H'ArtVÖ: 30.06.2017
We call upon the author to explain
Es ist eine Frage, die jedes Werk umhüllt, das nicht den gängigen Konventionen entspricht: "Was wollte uns der Künstler damit sagen?" Manchmal kommt diese Frage in einem bewundernden Ton, voller Ehrfurcht vor dem geschaffenen Werk, das wie ein Monolith über der geistigen Erfassungsgabe thront. Manchmal ist es abfällig gemeint, eine gallig ausgespuckte Bemerkung über etwas, dessen Existenznotwendigkeit ob der Stümpferhaftigkeit der Darbietung grundsätzlich in Frage gestellt wird. Das schöne ist, dass beide Anwendungsfälle für ein Album nicht selten gleichzeitig zutreffen können. Nehmen wir Mark Kozeleks neue Platte zur Hand, die dritte mit seiner Beteiligung dieses Jahr, ein Projekt mit Parquet-Courts-Bassist Sean Yeaton. Unter seinem bürgerlichen Namen und nicht als Sun Kil Moon, was vielleicht ein Zeichen ist. "Yellow kitchen" heißt es und wird mit Sicherheit die Gemüter spalten wie die Axt das Holz. Begeben sich hier etablierte Künstler in den Avantgarde-Bereich, voller kunstvoller dissonanter Schwingungen und nur scheinbar banal anmutender Philosophie aus dem täglichen Leben? Oder fällt Yeaton im angetrunkenen Zustand über ein paar Keyboards und landet auf der Gitarre, während Kozelek in geistiger Umnachtung wirres Zeug ohne Pause ins Mikro stammelt?
Man kann sicher Argumente für die erste Lesart sammeln. Vielleicht aufzeigen, dass der Opener "Time to destination" doch eigentlich ganz stimmungsvoll mit hoppelndem elektronischem Instrumental beginnt. Aber die Luft wird dünn, sobald Kozelek sich wie ein übergewichtiger Rentner durch seinen notdürftig zusammengekritzelten Text quält. Von der zweistündigen Mutprobe "Common as light and love are red valleys of blood" ist man ja schon einiges gewohnt, aber die Jesu-Kollaboration "30 seconds to the decline of Planet Earth" ließ doch hoffen, dass die detailversessene Tagebuch-Prosa wenigstens ein würdevolles Zuhause bekommen hat. "Yellow kitchen" dürfte aber selbst für die hartnäckigsten Verteidiger ein Brocken sein. Die ersten Minuten haben ihr Setting im vergangenen US-Präsidentschaftswahlkampf, von dem eigentlich nie wieder jemand irgendetwas hören wollte. Aber Kozelek interessiert das nicht, er hat den Text schließlich irgendwann mal geschrieben, dann muss er auch raus. "And Hillary's now associated with a child predator's erection / And Trump wants to build a wall to keep out Mexicans." Keine neue Perspektive, kein interessanter Denkanstoß. Es werden einfach die Nachrichten von 2016 rezitiert.
Es wird jedoch noch weitaus schlimmer. Yeaton, eigentlich doch ein Mann von Geschmack und Können, zerfasert die Musik in atonalem Gerülpse, ein wenig Gitarrengeklimper und simplem Metronom-Rhythmus. Alles gern nacheinander im gleichen Stück, ohne Übergänge von einem Part zum nächsten. Songs beginnen unvermittelt und brechen genauso plötzlich ab. Das soll wohl Kunst sein, muss aber einfach nur weg. Jesu unterstrich auf "30 seconds to the decline of Planet Earth" mit minimalen, aber effektiven Begleit-Instrumentals geschickt die Alltagsbeobachtungen Kozeleks, hier passiert mit gleichsam reduzierten Mitteln genau das Gegenteil. Die demohafte Produktion tut ihr übriges, dass sich die lyrische Inkohärenz und Inkontinenz und der lustlose Tonfall noch gravierender auswirken. Kozelek hat Vitamin-D-Mangel, Kozelek wird bald 50, Kozelek schreibt einen Song über die Länge des Songs, den er gerade schreibt. All die Meta-Jokes und Informationen, die schon seit drei Alben alt sind – natürlich an Bord. Die Betrunkener-Onkel-labert-Dich-zu-Momente sind allerdings zu einem Beinahe-Dauerzustand geworden. "And I slept with a lot of pretty girls all around the world / [...] / And I'm told my (mmm) tastes like fine Belgium white chocolate." Too much information, danke.
Was wohl seine Freundin Caroline dazu sagt? Immerhin bekommt sie nach einer ständigen Komparsenrolle in Sun-Kil-Moon-Songs mit dem wenigstens einigermaßen geradlinigen "The reasons I love you" einen echten Tribut-Song, äh, geschenkt. Da fabuliert Kozelek unter anderem darüber, dass sie die gleichen HBO-Serien mögen und ihr Name so schön ist. Das ist so deep, Mann! Ausgerechnet das abartigste Stück überspannt den Bogen so, dass es teils schon wieder interessant wird. Der 12-minütige Closer "Daffodils" lässt dank zufällig eingestreuten Piepsern sogar stellenweise echt unheimliche Atmosphäre aufkommen. Wenn Kozelek plötzlich Hundelaute nachmacht und in einem raren Scott-Walker-Moment aus der Haut fährt, erwischt es einen wenigstens einmal kalt: "The night is black! / Black, black, black! / Black, black, black, black, black!" Ein Heilmittel gegen all die umliegende Apathie ist das freilich jedoch nicht. "Yellow kitchen" ist ein krachend gescheitertes Experiment, das es schafft, die Beteiligten ins wohl schlechtmöglichste Licht zu rücken und so amateurhaft zu erscheinen, wie man es weder Kozelek noch Yeaton zugetraut hätte. Ein beeindruckendes und doch schmerzhaftes Erlebnis.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Daffodils
Tracklist
- Time to destination
- No Christmas like this
- I'm still in love with you
- Somebody's favorite song
- The reasons I love you
- Daffodils
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Aus der Rezension
2018-05-18 11:57:42
Da fabuliert Kozelek unter anderem darüber, dass sie die gleichen HBO-Serien mögen und ihr Name so schön ist. Das ist so deep, Mann!
Ausnahmsweise gut, Felix!
Ach Achim
2017-09-26 11:21:07
Na dann auf auf ins Stone-Forum. Mal sehen wie lange es dauert, bis du da gesperrt bist.
Achim
2017-09-26 11:17:23
Im Stone gab es übrigens eine ***1/2 mit einem sehr angenehmen Text.
(A.)
Gomes21
2017-08-07 08:59:52
Ich mag den Song, das Video ist naja.. okay.
Es erhöht aber die Wahrscheinlichkeit einer Wordsworth Anspielung des Titels.
Felix H
2017-08-07 08:49:07
Oder Äpfel und Birnen. ^^
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- Mark Kozelek & Sean Yeaton - Yellow kitchen (36 Beiträge / Letzter am 18.05.2018 - 11:57 Uhr)