Sufjan Stevens, Nico Muhly, Bryce Dessner & James McAlister - Planetarium
4AD / Beggars / IndigoVÖ: 09.06.2017
Interstellar
Sufjan Stevens' Vorhaben, jedem der 50 US-Bundesstaaten ein Album zu widmen, war zunächst ein Versprechen, dann ein äußerst ambitioniertes Vorhaben, letztlich aber nur ein gut gemeinter Joke, der sich alsbald zum Running Gag entwickeln sollte. Kein Scherz hingegen: Sufjan Stevens' Vorhaben unser Sonnensystem zu vertonen. Mit "Planetarium" erscheint nun nämlich genau dieses Projekt auf Albumlänge, wobei sich unser aller liebster Sonnencap-Träger namhafte Unterstützung ins Boot geholt hat. Da wäre zum einen Nico Muhly, ein hochdekorierter Komponist zeitgenössischer Klassik, der schon mit Björk, Grizzly Bear oder Antony & The Johnsons kooperiert und "Planetarium" überhaupt erst initiiert hat. Mit anderen Worten: ein Teufelskerl. Nicht weniger prominent und hier ebenfalls Teil der stellaren Viererkette ist Bryce Dessner, der sonst als Gitarrist und Kreativchef bei The National die Kapitänsbinde trägt. Und zu guter Letzt werkelte noch James McAlister mit, auch außerhalb hiervon etatmäßiger Drummer von Stevens.
An den alten Merkspruch "Mein Vater erklärt mir jeden Sonnabend unseren Nachthimmel" – sorry, Pluto! – halten sich die vier Musiker hier natürlich ganz und gar nicht. Das Sonnensystem wird also gleich mal auf links gedreht, Planetenhopping kann aber auch ein sehr schönes Hobby sein. Besonders der Einstieg in diese üppige Platte ist dabei überaus gelungen: "Neptune" schlägt gewohnt melancholische Töne an und erinnert klanglich und kompositorisch durchaus an Stevens' letztes Meisterwerk "Carrie & Lowell". Und auch das siebenminütige "Jupiter" sorgt für angenehme Gänsehaut: Über verhuschte Electronica legt Stevens seine lyrischen Beobachtungen, bis der Song in der Mitte auseinanderbricht und als Autotune-Frankenstein wiederaufersteht. Dieser knarzt und rumpelt über mechanisch-gebrochene Beats, stakst roboterhaft über den "loneliest planet" Jupiter und dreht am Ende komplett hohl. Ein Auftakt nach Maß also, der auch alle Freunde und Bewunderer der Dekonstruktionsplatte "The age of adz" zurück ins Raumschiff holt.
Direkt im Anschluss wird "Planetarium" dann erstmal getragener, die Verrücktheiten werden zugunsten größerer Atmosphäre zurückgeschraubt, der Einfluss Muhlys und Dessners nimmt hörbar zu: "Venus" erlaubt sich großzügige, leicht theatralische Bläsersätze und baut diese mit allerlei Indietronic zu einem eklektischen Klangpuzzle zusammen. Und mit dem Ruhepol "Uranus" auf den Kopfhörern darf man gerne verträumt Sternschnuppen zählen. "Mars" sorgt in der Folge für eine zwischenzeitliche Kehrtwende: Unter großem Kraftaufwand erforschen die vier Herrschaften hier ihre Möglichkeitsräume, das Resultat hört sich entsprechend expressiv an. Jedoch, kein Fluchtgrund! Zum Runterkommen lassen Stevens, Muhly, Dessner und McAlister gute zehn Minuten Ambient-Musik folgen, die sich, wie auch das Universum, stetig auszudehnen scheint.
"Moon" läutet die zweite Albumhälfte ein, schwillt an und ab wie die Gezeiten und wirkt in seiner dezent verschrobenen Psychedelik herrlich, öhm ja, berauschend. Zum Mäusemelken schön ist das folgende "Pluto", mit all seiner Klassik-Verliebtheit und den süßlichen Lyrics, die leise, aber mit Nachdruck, durch den Orbit hallen. Fürs Herzstück von "Planetarium" nehmen sich Stevens und Co. dann eine Viertelstunde Zeit: "Earth" soll so ausführlich, elegant und elegisch werden wie einst "Impossible soul", kann an diesem Vorhaben aber nur scheitern. Was freilich kein Beinbruch ist, liefert dieser Brocken doch wahnsinnig viel hochklassigen Input für alle Fans der elektronischen Phase von Stevens. Nach diesem Teufelsritt beschließen die vier Musiker ihr gemeinsames Projekt mit "Mercury", einer Nummer, die gekonnt den Bogen zum rührselig-tollen Beginn des Albums spannt, und damit auch zu "Carrie & Lowell". Was ein irrer Trip!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Neptune
- Jupiter
- Mercury
Tracklist
- Neptune
- Jupiter
- Halley's Comet
- Venus
- Uranus
- Mars
- Black energy
- Sun
- Tides
- Moon
- Pluto
- Kuiper Belt
- Black hole
- Saturn
- In the beginning
- Earth
- Mercury
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Gomes21
2024-12-30 14:56:46
Da schließe ich mich neidisch an.
Watchful_Eye
2024-12-30 13:46:11
Oh, da bin ich durchaus neidisch drauf.
Kai
2024-12-30 13:21:26
Hab es damals live in Eindhoven gesehen. War schon ziemlich besonders.
Gomes21
2024-12-30 09:25:50
Es fällt halt sehr aus seiner Discographie raus. Ich betrachte es auch weniger als "Sufjan Stephens" Album als als expirimentelle Kollaboration. So oder so, für mich funktioniert die Pkatte ebenfalls extrem gut, tolles und sehr besonderes Album!
Watchful_Eye
2024-12-30 03:11:23
Auch 7 Jahre später mein Lieblingsalbum von Sufjan Stevens (ich kenne nicht jedes Detail seiner Diskographie).
Keine Ahnung, warum es da so wenig Begeisterung gibt. Ich glaube, die Fans wollen einfach etwas anderes von ihm hören.
Aber ich kenne das ja schon von "The King of Limbs".. x)
Probiert es aus! Nicht nebenbei hören. Das ist ein Album für große, klobige Kopfhörer. Passt sehr gut in die winterlich-weihnachtliche Zeit.
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- Sufjan Stevens, Nico Muhly, Bryce Dessner & James McAlister - Planetarium (59 Beiträge / Letzter am 30.12.2024 - 14:56 Uhr)