Albrecht Schrader - Nichtsdestotrotzdem
Staatsakt / CarolineVÖ: 05.05.2017
Peterchens Ohnmacht
Der Schrader, dieser Tausendsassa! Der Tasten- und Gitarren-Job bei Herrenmagazin war nur ein kurzzeitiges Unterfangen für den umtriebigen Kölner Musiker. Darum komponierte er mal eben hauptamtlich Musik für ein ganzes Theaterstück, nachdem er zuvor im Hamburger Clouds-Hill-Studio Pete Dohertys letztes Solo-Werk "Hamburg demonstrations"federführend mit eingespielt hatte. Als müsste man sich den lieben langen Tag weiter um nichts kümmern, wurde Albrecht Schrader kürzlich nun als Kopf des Rundfunk-Tanzorchesters Ehrenfeld installiert, in dessen Kreis er nun jede Woche Jan Böhmermanns Neo Magazin Royale mit kleinen musikalischen Scharmützeln untermalen darf. Doch weil Schrader die Zeit eben hat, lugt er nur zu gerne aus der Entfernung hinter dem Küchenfenster hervor, oder versteckt sich im Park hinter einem Baum, um in süffisanter Manier das Leben in der Großstadt, oder eben auffällig unaufällige Menschen wie Peter zu beobachten.
Peter ist Protagonist auf Schraders Debütalbum "Nichtsdestotrotzdem", der am liebsten gewöhnlich lebt, aber derzeit genauso mächtig viel zu meckern hat. Ein Peter tickt mal so, mal so, doch oft nach einem Muster. "Ohnmacht als Chance / Angst als Perspektive / Trotz als Strategie / Sucht als Potenzial" zeichnet Schrader den Max Mustermann des Jahres 2017 nach, der immerhin im Internet das Ventil für den tristen Alltag gefunden hat: "Manifeste aus dem Bett / Sickern durch zum Grenzbereich." Letzteren lotet Schrader dabei auch musikalisch aus: Pop, Swing, Bigband und zarte Elektronik – "Nichtsdestotrotzdem" kann alles, nur keinen Deutschrock. Wäre dem Schrader auch zu banal.
Ähnlich simpel wäre es, nur Frustrierte und Wütende als Zielscheibe zu definieren. Schrader richtet sein Fernrohr im feinen Titelsong daher auf all die ach so mitmenschlich erzogenen, wohlgebildeten Bio-Deutschen, die in trauter Zweisamkeit ihre Allerwertesten in die Wohlstands-Couch pressen, denen der Netflix-Flatscreen völlig ausreicht, um ein Teil der Gesellschaft zu sein. "Es und wir / Ihr und sie / Im gemachten Nest / Übrig bleibt der Rest", macht auch das treffende "Der Rest" klar: Ignoranz und Arroganz sind fürwahr keine Strategie, die Verprellten wieder zu versöhnen.
Sämtliche Geschichten, die "Nichtsdestotrotzdem" erzählt, eint das Unwandelbare, das Verharren im Trott und auf vorbestimmten weltbildlichen Positionen. Auch Ballons voller Optionen, gefüllt mit erträumter Perfektion, lässt Schrader im tanzbaren Club-Track "Ganz normal" jäh platzen: "Geh Dir aus dem Weg / Reiß die Hoffnung ab / Schmeiß die Träume weg / Lieb mich ganz normal." Da der Kölner seinen provozierenden Standpunkt jedoch in beschwingtem Big-Band-Pop verpackt, und den großen Ball des sozialen Versagens mit tanzbarem Elektropop beschallt, bevor sich Peter gen Ende zum Halbgott erhebt, wird dieses Album als eines der ungewöhnlichsten des Jahres nachhallen. Der kann, der Schrader!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ganz normal
- Nichtsdestotrotzdem
- Ohnmacht als Chance
- Menschen harmonieren miteinander
Tracklist
- The introduction of Peter
- Ganz normal
- Nichtsdestotrotzdem
- Der Rest
- Zufrieden ahnungslos
- Die Form
- Ohnmacht als Chance
- Menschen harmonieren miteinander
- Der Zustand
- The apotheosis of Peter
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kapomuk
2017-09-11 23:13:30
Für mich eine der Platten des Jahres. Anspruchsvolle und trotzdem eingängige Musik mit ziemlich gekonnt gedrechselten Texten. I like!
Armin
2017-05-24 21:25:04- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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