The Guilt - The Guilt

Heptown / Rough Trade
VÖ: 05.05.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Betty-Mord-Klinik

Behutsam gezupfte Gitarrenmelodien, die sich an filigran gesponnenen Soundschmeicheleien anbuckern? Fehlanzeige. Lyrisch berührend wie technisch beindruckend formulierte Textbausteine über das Zwischenmenschliche? Eher nicht. Musik, die in ihrer subtilen Ausdrucksweise über das Unterbewusstsein tastend zur Seele des Rezipienten vordringt? Fuckt it! The Guilt wollen Rocken, und da das schwedische Duo ohne Schlagzeuger auskommen muss, peitschen die Beiden eben den Drumcomputer durch den Takt, bis dieser nicht mehr zwischen Nullen und Einsen unterscheiden kann. Ohne Bass, aber mit viel Biss grollen The Guilt durch das Geröll von zehn den Punk ummantelnden Elektroschockern.

Während andere Künstler ihren Intellekt mit soundtechnischen Zärtlichkeiten streicheln, verteilen die beiden skandinavischen Vier-Viertel-Vollkontakter lieber Blutgrätschen im Vorratspack. Die Taktik ist bei den Tracks stets dieselbe: Luft holen, reinspringen, umholzen und den am Boden zuckenden Klangkörper noch einen herzhaften Tritt in die Eingeweide verpassen. Schon der Opener "Cunty mess” prügelt krachend die Flausen aus jeglichen vibrierenden Rippen. Während sich Störgeräusche mit Feedback-Begleitschutz kopfüber in den Groove stürzen, werfen die Stimmbänder von Sängerin Emma blutende Bläschen – ein Schrein für das Schreien. Zwar kommen die Beats aus der Dose, drücken ihren digitalen Soundabdruck aber dennoch äußerst druckvoll dahin, wo es wehtut. Dazu pogen dann noch ein paar Handclaps auf den Hinterkopf des Hörers. Ein wirklich Schöner Kickstart für ein Album, welches fast ausschließlich Vollgas als Geschwindigkeit akzeptiert.

Das Gute an dem selbstbetiteln Erstling von Sängerin Emma und ihres Gitarre und Drummachine quälenden Komplizen: Nach noch nicht einmal 30 Minuten ist der ganz Spaß vorbei. Doch zuvor müssen Hörer noch ordentlich Prügel einstecken. Bei "Hate hate hate" gurgelt sich die Rhythmus-Fraktion vom Industrial-Sound geleitet durch die Strophe, während Emma sich in wahrsten Sinne des Wortes durch den Song hechelt. Trotz Minimalbesetzung machen die schwedischen Schwerenöter Krach für eine Kapelle in Komplettbesetzung. Zum Beispiel dann, wenn der hyperventilierende Brüllwürfel am Mikrophon in "I don't care" grölend einen scheinbar entgleisenden Güterzug durch die Gehörgänge poltern lässt. Etwas elektronischer, mit ordentlich Drive und einem als Melodie getarnten Kinnhaken schmirgelt im Anschluss "I just know it" über die entzündeten Sinnesorgane.

Bei aller Urgewalt eilen den Lärmversehrten in den Songs immer wieder auflockernde elektronische Erste-Hilfe-Kästen und eine extra Mullbinde Melodie zu Hilfe. Um dann doch wieder bleischweren Bass-Boliden wie "Bad things" Platz zu machen. Da hilft keine Reha: The Guilt verwandeln mit Songs wie "Anomalys" jede Betty-Ford- in eine Betty-Mord-Klinik. Trotz der stringent durchgehaltenen Faust-Formel aus Ellenbogen-Beats, Elektro-Splittern und Melodie-Lumpen funktioniert das ganz wunderbar. Und wenn The Guilt am Ende mit "Ovaries" noch einen besonders mitreißenden Bluthusten auf ihre Visitenkarte spucken, können sich Freunde des auf den Punkt produzierten Elektropunks selig zurücklehnen.

(Oliver Windhorst)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hate hate hate
  • I just know it
  • Anomalys

Tracklist

  1. Cunty mess
  2. Hate hate hate
  3. I don't care
  4. I just know it
  5. Bad things
  6. Anomalys
  7. It's not me it's you
  8. When the honey comes
  9. Give it
  10. Ovaries
Gesamtspielzeit: 29:40 min

Im Forum kommentieren

Gordon Fraser

2017-05-31 12:51:02

Macht Spaß! So richtig schön straight in the face.

Master

2017-05-29 14:02:10

Die Platte kann wirklich was.
Und "I Don't Care" gehoert sicher zu den Hoehepunkte, so geil wie das Stueck abgeht...

ow_ffm

2017-05-26 14:18:59

Von mir eine 8/10! Das wird bei mir häufiger laufen. I don`t care ist mein derzeitiger Favorit.

Ich muss allerdings zugeben, dass ich noch mehr Power erwartet hatte: Verglichen zu einer The Guilt-Performance wirkt das Album handzahm. Wer die Zwei mal erlebt hat, weiß was ich meine.
Sie waren den Monat auch in Deutschland unterwegs, haltet einfach mal die Augen offen.

Armin

2017-05-24 21:23:26- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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