Noga Erez - Off the radar

City Slang / Universal
VÖ: 02.06.2017
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Herz, Bass

Humor? Das ist diese Sache, wenn man eine angesagte Songwriterin von 28 Jahren ist, allerlei Lobeshymnen vor dem Erscheinen des eigenen Debüts von der Presse erfährt und diese Platte dann "Off the radar" nennt. Im gleichnamigen Song geht es Noga Erez allerdings um etwas anderes. Darin spricht sie von der allgemeinen Angst des Verschwindens und der Furcht vor der Anonymität. Also heißt es für die Künstlerin aus Tel Aviv: Bloß einen dieser sprichwörtlichen Fußabdrücke in der Geisteslandschaft hinterlassen! Ihr erstes Album ist da ein guter Anfang.

Das bereits omnipräsente "Dance while you shoot" haut einen kantigen Beat zwischen Grime und Dance raus, während Erez eine Reihe an Vorwürfen an ihre Regierung richtet. Jene Kritik ist eh ein allgegenwärtiges Thema. Weil es auf "Off the radar" um alles geht. Wer mag, soll das universal nennen. Erez nennt es ihr Leben. Und dazu gehört eben zum Teil Politik. Dementsprechend weniger Subversion fällt einem hier vor die Füße als bei beispielsweise Maya Arulpragasam alias M.I.A. – trotzdem: Ein Track wie "Pity", der sich um Sexismus, Gewalt und Courage dreht, hat hier dennoch seinen Platz. Erez greift den Fall eines sexuellen Übergriffs in Israel vor ein paar Jahren auf, den mehrere Personen mitbekamen und mit dem Smartphone filmten. Nur findet sie für den Text keine Slogans, sondern einfache und eindringliche Sätze. Und so gibt es auf "Off the radar" eine angenehmere Tiefe als bei anderen Produktionen. Die Wut verraucht deswegen nicht schneller.

Das bringt jedoch eine andere Sache mit sich – denn diesem Album gehen die Hits ab. Die Instrumentals schüttelt der Rhythmus nie mehr so durch wie in "Dance while you shoot", viele Beats bleiben konform. Oftmals halten nur die nötigsten Mittel Songs wie "Muezzin" zusammen. Experimente gibt es kaum. Lediglich der Bass schummelt sich ab und an so nach vorne, dass etwa der Titeltrack zum kleinen Monster für die Tanzfläche wird. Mutmaßlich braucht es da für die volle Transformation jedoch erst einen Remix. Das große Aufrütteln gibt es so bei "Off the radar" auf dieser Ebene nicht. Erez weiß zwar: "A hit is a hit." Aber einen solchen will sie gar nicht. Zumindest hat es denn Anschein. Denn es geht ihr um Ausdruck.

"Global fear" kugelt sich ein, Erez holt für ihr Unbehagen wieder die richtigen Worte aus dem Satzbaukasten. Doch sie geht nie nach direkt vorne, dafür ist sie zu feinfühlig, zu gut. In einer lauten Welt sind es die leisen Momente, die für Aufmerksamkeit sorgen. Und genau das wird Erez mit diesem Album tun. Alleine "Junior" zerreißt jedes Herz durch seine Bedächtigkeit und seinen Sound. Noch findet die Sängerin für ihre Zerrissenheit aber keine durchgängig geschlossene Form für eine ganze Platte. Trotzdem hat "Off the radar" jedes Interesse verdient, weil hier jemand auf dem großen Sprung ist. Erez geht bereits ihren eigenen Weg. Und wird noch genug Spuren für die Nachwelt hinterlassen.

(Björn Bischoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Dance while you shoot
  • Junior

Tracklist

  1. Balkada
  2. Dance while you shoot
  3. Toy
  4. Instruction
  5. Pity
  6. Quiet one
  7. Worth none
  8. Global fear
  9. Hit u
  10. Off the radar
  11. Side effect
  12. Muezzin
  13. Noisy
  14. A hit is a hit
  15. Junior
Gesamtspielzeit: 39:10 min

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