Paramore - After laughter

Fueled By Ramen / Atlantic / Warner
VÖ: 12.05.2017
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Chance knapp verpasst

Wem hat man eigentlich diese ganze Küchenpsychologie zu verdanken? Bei den ganzen unqualifizierten Laiendiagnosen bleibt dem ein oder anderen Psychiater nichts anderes übrig, als sich erstmal auf der zufällig nebenan stehenden Couch zu übergeben. Aber mal im Ernst: Was bitte ist das Problem der Paramore-Fans? Da nimmt sich die Band im Zuge ihrer ausgefeilten Promo-Aktion zum fünften Album "After laughter" die Zeit, ausführlich mit Interview-Legende Zane Lowe zu quatschen – und das Internet diagnostiziert teilweise wild Probleme bei Everybody's Darling und Sängerin Hayley Williams. Oh nein, sie wirkt traurig, es fühlt sich so an, als würde sie eine Rolle spielen, da nicht wirklich reinpassen, und so weiter und so weiter. Eine invalide Ferndiagnose, die aber auch nicht ganz aus der Luft gegriffen ist, hatten Paramore in den letzten fünf Jahren doch so ihre Problemchen. Neben den teilweise sehr hart ins Gericht gehenden Kritiken fällt die Besetzung der Emo-Pseudo-Punk-Band komplett auseinander. Nach dem Austritt der Fargo-Brüder sagt mit Bassist Jeremy Davis nach "Paramore" das letzte Gründungsmitglied Adieu zu Hayley Williams – inklusive unschönem Rechtsstreit. Klar: alles nicht leicht für die mittlerweile 28-Jährige. Doch noch hat sie ihren neuen Gitarristen-Kumpel Taylor York an der Seite. Und die beiden kommen zurück – mit zwei mittelgroßen Überraschungen: Schlagzeuger Zac Farro ist wieder am Start, und Paramore machen jetzt funkigen Disco-Pop.

"Hard times" heißt der erste Vorabtrack und Opener von "After laughter": ein schnuckeliges Stückchen Popmusik, weit entfernt vom Möchtegern-Alternative-Rock der alten Tage, das nicht zu Unrecht viral geht. Mit dem dann doch nicht unbedeutenden Stilwechsel verprellt das Trio aus Nashville einige Fans, die sich dann gerne mal mit Gerüchten über Hayleys Seelenzustand rächen. Auch wenn die durchaus düsteren Lyrics diese Hypothese stützen, wirken Paramore happy mit ihrem Experiment und hauen mit "Told you so" gleich einen weiteren, top-produzierten Track heraus. Gitarren klettern wild umher, ein Funk-Bass lässt vergessen, dass die Band gar keinen Bassisten hat, und die Melodie bleibt ähnlich wie "Hard times" stundenlang im Kopf hängen. Natürlich ist das Ganze Rosa-Marshmallow-Pop – der ein oder andere frühere Verächter ertappt sich aber sicherlich beim verwunderten Augenreiben und heimlichen Mitwippen. Leider schaffen die beiden Tracks jedoch eine zu hohe Erwartungshaltung, die "After laughter" nicht erfüllen kann. Aber: Wer hätte das bei Paramore jemals gedacht?

Dabei geht es eigentlich ganz gut los. Das im Single-Sandwich platzierte "Rose-colored boy" überzeugt mit 80s-Charme und einem beinahe souligen Refrain, lässt aber das gewisse Hit-Potenzial vermissen. Der Mid-Tempo-Track "Forgiveness" groovt mit pluckernden Gitarren scheu voran und entwickelt dadurch eine durchaus spannende Klangwelt, die gerne das Formatradio aufmischen dürfte. Doch spätestens mit "Fake happy" zeigt "After laughter" leider sein wahres Gesicht. Hayley säuselt zunächst etwas von gespielter Glücklichkeit über Akustikgitarren, ehe ein Synthiegeblubber übernimmt, welches schließlich von einem ordinären Poprock-Refrain übertrumpft wird: Paramore wieder mit der alten Leier. Es folgen äußerst mediokre Tracks wie das seichte "Pool", die Quoten-Akustik-Ballade "26" und das belanglose "Grudges". Das große Problem: Diese Songs werden aufgrund ihrer Einfallslosigkeit weder alte Fans überzeugen, noch die neugierig gewordenen neuen Anhänger befriedigen. Neben dem etwas fremden, aber coolen Instrumental "No time" kann einzig "Caught in the middle" in der zweiten Albumhälfte mit seiner Ohrwurm-Hook und spritzigen Gitarren noch überzeugen. Leider verpassen Paramore damit die große Chance, sich von nun an in einem grundverschiedenem Image zu präsentieren. So bleibt das Trio eben die mittelmäßige Poprock-Band, die hin und wieder mal einen überzeugenden Hit raushaut. Und deren Fans sich dringend mal überlegen müssten, ob sie nichts besseres zu tun haben, als ihr Küchenpsychologie-Halbwissen im Internet zu verbreiten. Denn bei aller Kritik: Immerhin machen Paramore das, wonach ihnen gerade steht und wirken damit ziemlich glücklich. Es reicht eben nicht, Zeilen wie "I'm gonna draw my lipstick wider than my mouth" zu hören, um über das Innenleben einer Person zu reden.

(Till Bärwaldt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hard times
  • Told you so
  • Forgiveness

Tracklist

  1. Hard times
  2. Rose-colored boy
  3. Told you so
  4. Forgiveness
  5. Fake happy
  6. 26
  7. Pool
  8. Grudges
  9. Caught in the middle
  10. Idle worship
  11. No friend
  12. Tell me now
Gesamtspielzeit: 42:31 min

Im Forum kommentieren

didz

2023-02-14 12:04:40

5/10?

ne sorry, für mich ne 8 und ihr zweitbestes album nach dem neuen. guter pop und stolz darauf, so muss das sein.

hubschrauberpilot

2017-05-18 20:04:34

Kann man zwar sicher über fast jede Band sagen, aber bei Paramore steht der kommerzielle Erfolg an 1. Stelle. Einen eigenen Stil hatte man nie.

Felix H

2017-05-17 21:57:53

Gefällt mir besser als ihre vorige Schiene, fand ich aber auch davor nicht so grausam, wie die Rezensionen hier es abbilden.

Armin

2017-05-17 21:06:39- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?


mike kinsella

2017-05-17 19:49:28

@lederfratze: warum sollten "emo-people" denn angepisst sein? diese band hat mit dem genre in etwa soviel zu tun wie der papst mit puffhäusern.

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