Cat Power - You are free

Matador / Indigo
VÖ: 17.02.2003
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Felidae

Faszination Katze. Manchmal sanft schnurrend, bisweilen gar zärtlich, jedoch stets eigenwillig. Stets sollte man auf der Hut vor ausgefahrenen Krallen sein. Heimtückisch hinterlassen die pelzigen Vierbeiner ihre Spuren auf der schutzlosen Haut. Cat Power hingegen, Chan Marshall mit bürgerlichem Namen, hat keine Krallen, und auch das Fell fehlt ihr. Ihrerseits schutzlos und völlig entblößt durchlebt sie, mal nur von Gitarre oder Klavier begleitet, mal mit einer rücksichtsvollen Band im Rücken, ein Meer voller intensiver Gefühle - Sehnsucht, Trauer, Hoffnung, Nostalgie, Verwirrtheit, Depression.

"You are free", Cat Powers erstes Album mit eigenem, neuem Material seit den '98er "Moon pix", ist einmal mehr voll davon. Schon mit dem vergebenden "I don't blame you" nimmt Marshalls Stimme gefangen. Unter sanften Streichlern auf der Klaviatur erzählt sie von einer Musikerin, die sich dem Publikum verweigert. Außen- oder Innenansicht? Schon erinnert man sich an Marshalls Probleme mit ihrer Popularität. Wie oft warf sie frustriert die Gitarre beiseite, weil sie es im Scheinwerferlicht nicht aushielt? Auch im erstaunlich beschwingten "Free" windet sich die Künstlerseele: "Don't be in love with the autograph / Just be in love when you scream that song on and on." Wirklichkeit gegen Vorstellung, Gefühl gegen Besitz. "I'm not that hot new chick", beschwört sie im dräuenden "He war" und verkriecht sich an die Öffentlichkeit. Die Flucht nach vorn sorgt für Aufarbeitung mit Gänsehautgarantie.

Es sind die kleinen Momente der Offenheit, die Augenblicke des Ringens zwischen Selbstzweifeln und erwachendem Selbstbewußtsein, in denen die Faszination von "You are free" steckt. Und so bricht die Anmut von betörenden Schleichern wie Michael Hurleys "Werewolf" oder "Maybe not", die sich voller Hoffnung ankuscheln wollen, immer wieder auf. Da wünscht sie sich zu brüchigem Country, ganz "Good woman" zu sein, und findet doch vor allem ihre eigenen Unzulänglichkeiten. Es jagt einem Schauer über den Rücken, wenn man sie in "Fool" träumen hört ("Wanting to live and laugh all the time") und doch weiß, daß das Schicksal wieder zuschlagen wird ("When the day comes and all of them burns").

Und doch gibt es immer noch eine Steigerung, ein Mehr an seelischen Abgründen. Im fast mantrahaften "Names" wirkt die Distanziertheit, mit der sie vom erschreckenden Schicksal einiger (virtueller?) Bekannter erzählt, wie der berühmte Fingernagel an der Schiefertafel. Und wie so oft verheißt hier keine lärmende Gitarre den Ausweg. Stattdessen läuft das Klavier weiter und hinterläßt eine Lücke, in die nur noch die unerzählte Geschichte der Erzählerin zu passen scheint. Welch Ungeschick, daß ausgerechnet dieser intensivste Moment von "You are free" von fast lustlos dahergeschrubbten Blues-Langeweilen gefolgt wird. "Half of you" und John Lee Hookers "Keep on running" (ehedem "Crawlin' black spider") machen in ihrer Beliebigkeit einigen Eindruck wieder zunichte. Schade. So schließt sich letztlich der Kreis, denn einmal mehr scheitert Cat Power an ihren eigenen Grenzen. Selbst wenn man vorher ein paar der schönsten Herzstillstände seines Lebens erfahren durfte.

(Oliver Ding)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I don't blame you
  • Good woman
  • He war
  • Names

Tracklist

  1. I don't blame you
  2. Free
  3. Good woman
  4. Speak for me
  5. Werewolf
  6. Fool
  7. He war
  8. Shaking paper
  9. Baby doll
  10. Maybe not
  11. Names
  12. Half of you
  13. Keep on runnin'
  14. Evolution
Gesamtspielzeit: 53:07 min

Im Forum kommentieren

Kai

2022-02-25 17:40:59

Album das hier eine 7 bekommen hat aber eine 9 verdient hätte...

Nils

2009-01-14 12:56:18

unglaublich schönes album!

Leatherface

2009-01-13 20:46:10

Good Woman killt mich gerade. Sooo wunderschön.

Armin

2004-11-04 21:01:34

CAT POWER "Speaking For Trees", VÖ: tba (Matador)



Auch Fans von Cat Power aka Chan Marshall haben Grund zur Freude.

Ihre DVD ist ebenfalls fertig. Ihr Film wurde von Mark Borthwick

gedreht und trägt den Titel "Speaking For Trees". Die DVD ist

visuelles Wellness für gestresste Großstädter, denn Chan steht

ihm Wald und spielt ihre Songs, die Bäume lauschen andächtig.

David Lynchs "Straight Story" ist dagegen eine hektische

Bilderorgie. Als Extra gibt ist es eine Audio CD auf der Cat

Power einen 18-minütigen Song mit M. Ward spielt. Wem das noch

nicht reicht, dem sei gesagt, dass der DVD auch noch ein extra

dickes Booklet mit Fotografien von Chan Marshall beiliegt.

Adrian

2003-06-06 11:03:31

Ja, ich war da - und fands wunderschön. Jemand, der sie schön in Düdingen und Fribourg gesehen hatte, meinte, in Zürich wäre sie massiv besser in Form gewesen, und Frau Marshall schien mir auch ziemlich konzentriert. In Genf soll sie sich ja fast bis zur Bewusstlosigkeit mit Alkohol betäubt haben und entsprechend auch regelmässig den Faden verloren haben. Aber Zürich, sie schien unverhältnismässig gut gelaunt (und frisch verliebt?), zuhören und zusehen (ihre Knie!) reichte für einen wunderschönen Abend.

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