Olsson - Millions
Island / UniversalVÖ: 19.05.2017
Scheiß drauf
Als Musiknerd, so macht es den Eindruck, ist man zeitweise mehr damit beschäftigt, seine Gehörgänge im möglichst rein zu halten, als damit, Mucke tatsächlich abzufeiern. Manche Hardliner wie etwa dieser Rezensent haben seit Jahren kein Radio gehört, nicht ferngesehen und gehen nur mit Kopfhörern einkaufen, um der aufgezwungenen Dauerbeschallung zu entfliehen. Manchmal aber macht man einen dummen Fehler, und die Annexion der Ohrmuschel ist einfach nicht mehr zu verhindern. Etwa dann, wenn man eine neue Promo-Platte geschickt bekommt und naiv beziehungsweise uninformiert den Play-Button klickt: Noch bevor man gelesen hat, dass der abgespielte Track der Titelsong der 2016er Vodafone-Kampagne ist, kriegt man das Ding schon nicht mehr aus dem Kopf. Bitter! So geschehen bei Olssons Hit "Hold on", der "Millions" eröffnet, das Debüt des schwedischen Pop-Künstlers.
Auf dem Pressefoto sitzt der Schnurrbartträger mit Goldkettchen in weißer Leinen-Tunika in weitem Gelb, seine John-Lennon-Brille hat er diesmal nicht auf der Nase. Man könnte den Mann trotzdem schon allein dafür hassen, dass er so stereotyp hipster-cool daherkommt. Was aber, wenn seine Musik tatsächlich gefällt? Mindestens zehn Zeilen Rechtfertigung, bevor die eigentliche Rezension beginnt, müssen es da schon sein. Jetzt aber zur Sache: Der Stockholmer hat mit seinem Erstlingswerk ein groovendes Erfolgsstück hingelegt, das sich zwischen Nuller-Indie-Bands wie Hard-Fi und der entsprechenden Elektro-Variante nach Vorbild von LCD Soundsystem bewegt und bisweilen wie Chet Faker alias Nick Murphy auf Glückspillen klingt. Zwischendrin gibt es auch mal 80er-Disco, Grüße gehen raus an Patrick Hernandez. Es sind Titel wie das verzerrt schunkelnde "Ça m'est égal" mit starker Rap-Strophe von Daniel Adams-Ray und melodieführender, verzerrter E-Gitarre nebst unablässigem Tamburin und ausleitender Piano-Line oder das Piña Colada schlürfende "This heat" mit seiner meeresdurstigen, schiefen Damenstimme im Chorus, die einem auch am trübsten Tag die Stimmung versüßen.
Die zweite Single "One in a million" integriert einen House-Beat, knackt Kokusnüsse und lädt zum Drink ein, während "Fool for love" sich zum Golden-Era-HipHop-Beat und mit souligen Chören charmant zum Affen macht. Auch "Silent war" spielt mit Black-Music-Anleihen und braucht dabei keine Lautstärke, um Eindruck zu schinden. Handclaps und Kastagnetten laden in "Grace Jones" zum Zappeln ein, der Refrain verführt zum Hüpfen, ohne einen dabei zu aufdringlich anzutanzen. Den Vodafone-Titel "Hold on" sollte man trotz eigentlicher Verweigerungshaltung auch noch erwähnen: Satter Beat, dezentes Mellotron, smoother Gesang von Olsson und dem einstimmenden Gospel-Chor sowie der genau zur richtigen Zeit zündende Rap vom weiblichen Feature Mapei – man merkt schnell, warum die Marketing-Abteilung des Kommunikationsriesen da zugeschlagen hat. Die Songs, die Olsson auf "Millions" liefert, sind ausnahmslos tanzbar, viel mehr noch: Sie zwingen sogar dazu, sich zu ihnen zu bewegen. Olssons Sound gräbt sich physisch fest, da bringt die ganze Prinzipienreiterei nix. Scheiß drauf.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ça m'est égal (feat. Daniel Adams-Ray)
- This heat
- Grace Jones
Tracklist
- Hold on (feat. Mapei)
- Ça m'est égal (feat. Daniel Adams-Ray)
- This heat
- Fool for love
- One in a million
- Satellite (Only analog talks)
- Culver
- Silent war
- Go out
- Grace Jones
- Take your time
- Aye aye
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Armin
2017-05-11 14:37:52- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Olsson - Millions (1 Beiträge / Letzter am 11.05.2017 - 14:37 Uhr)