
Keele - Gut und Dir
Rookie / IndigoVÖ: 28.04.2017
Wider die Leere
Da darf man sich nichts vormachen: Es ist leicht, die Böhmermannsche Satire über jene allgegenwärtigen Vertreter des Befindlichkeits-Pop neudeutscher Couleur auf die gute Seite zu hieven. Popmusikalische Ebbe vom Hit-Fließband, jammerlappige, pseudo-tiefgründige Texte, einer austauschbarer als der andere: Du bist Deutschland. Doch macht man es sich da als selbsternannter Musikfreak, der den gar nicht so verkehrten Untergrund der deutschen Popkultur protegiert, nicht auch zu leicht? Auch im deutschprachigen Rock tun sich seit geraumer Zeit immer wieder neue, junge Bands wie Keele aus Hamburg an Land, deren Rezept aus persönlicher Reflexion, Gesellschaftskritik, schlauen Halbsätzen und melodisch-flotten Songs ebenfalls alles andere als neu ist.
Diese latente Übersättigung mal außen vor, halten wir fest: Gut gemachter Punkrock ist gut gemachter Punkrock. Und, werte Leser, dem geschmacksicheren Label Rookie darf man auch weiterhin blind vertrauen. "Kalte Schulter, warmes Bier / Das wär uns damals nicht passiert", zeichnen Keele im Titelsong ihres Debüts "Gut und Dir" eine abgeklungene Freundschaft nach und liefern mehr als einen Grund, warum man ihnen zuhören sollte. Keele prangern Oberflächlichkeit und Alltags-Floskeln an, die bloße Angepasstheit der Worte, "nur dahergesagt und leer". Die Auskopplung "Terminal" grast auf bekanntem Terrain, stellt Trennung, Selbstfindung und neue, unabwägbare Wege in den Fokus – die feine Mischung aus Post-Punk und Pop jedoch kann sich gut hören lassen. Überhaupt ist es erstaunlich, mit welcher Konstanz Keele auf "Gut und Dir" aufwarten, und neben Nackenschlag-Punkern wie "Geister" auch musikalische Überraschungen nachschieben, wie den tollen Gitarrenteppich zum Ausklang von "Grauwal".
Für den polternden "Sektempfang" mag man den Hamburgern innerlich leise applaudieren. Weil es tatsächlich Mittzwanziger gibt, die von dem Dauer-Geglotze der Menschen in ihre kleine Parallelwelt namens Handybildschirm und der Schwemme an unnützen Selfies im Netz ähnlich genervt sind. Und ein Thema sollte in Zeiten, in denen man tatsächlich wieder für Mitmenschlichkeit und ein vereintes Europa auf die Straße gehen muss, nicht fehlen. "Über Grenzen" thematisiert diese traurigen Entwicklungen, während der simple aber effektive Auftakt "Sauerstoff wird knapp" an die Generation-Mate-Großstadt appelliert, den Blick hinaus aus der Wohlfühl-Oase zu wagen: "Eure Stadt aus Gold / Ist schon morgen nichts mehr wert." Doch bald schon, das haben auch Keele verinnerlicht, könnte diese Lethargie überwunden sein, denn "nach der Ebbe kommt die Wut". Das sollte doch immerhin Mut machen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Terminal
- Gut und Dir
- Sektempfang
- Grauwal
Tracklist
- Sauerstoff wird knapp
- Terminal
- Uwe Hochmut
- Gut und Dir
- Geister
- Siebenundzwanzig
- Handfaust
- Sektempfang
- Handfaust
- Ich will bleiben
- Über Grenzen
- Grauwal
Im Forum kommentieren
Petr
2017-05-24 15:36:49
wird der Bandname eigentlich "Kiel" oder "Kehle" ausgesprochen?
ja, sehr kurzweilig und viel Spass, aber wohl nichts für die Ewigkeit...
eric
2017-05-24 12:27:40
So stark wie die Alben von Captain Planet sehe ich das Keele-Album durchweg nicht. Aber sehr kurzweilig ist es allemal.
Eurodance Commando
2017-05-24 12:07:29
Kenne nur den Song "Grauwal" vom VISIONS-Sampler und der ist ziemlich lahm und blutleer.
Können die anderen Songs mehr ?
Auf Anhieb klingt das für mich nach einer Captain Planet-C-Seite...
Chill
2017-05-13 14:56:55
Schöner Tipp, vielen Dank! :)
Till
2017-05-11 14:56:19
Ein sehr großes Debütalbum – hat mich im ersten Durchgang gepackt und lässt mich seitdem nicht mehr los. Vereint aber auch alles, was ich an deutscher Musik gerne mag. Und überraschend, dass ich dem Kollegen bei jedem (!) Highlight zustimme. Vor allem das Ende von "Grauwal" – Wahnsinn.
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