Actress - AZD
Ninja Tune / Rough TradeVÖ: 14.04.2017
Trau Dich, trau Dich nicht
Wenn man es selbst nicht besser weiß, fragt man eben Wikipedia: "LSD ist eines der stärksten bekannten Halluzinogene. Es ruft schon in sehr geringen Dosen lang andauernde pseudohalluzinogene Wirkungen hervor." Was Du nicht sagst, Wiki! Mit diesen faszinierenden neuen Erkenntnissen erschließt sich sowohl der Titel als auch der Sound des neuen Actress-Albums gleich auf eine ganz andere Art und Weise. Denn "AZD", das wie "Acid" ausgesprochen wird, hat auch eine durchaus pseudohalluzinogene Wirkung. Mehr noch: Am Ende dieser Fahrt durch ein obskures Paralleluniversum weiß man als Hörer kaum noch, was Realität und was Fiktion ist.
Denn Actress alias Darren J. Cunningham feiert auf seinem fünften Werk nicht einfach nur eine schnöde Auferstehungsparty. Erklärte er sein Projekt – oder gar sich selbst? – mit dem Album "R.I.P." aus dem Jahr 2012 für tot, ging es mit dem zwei Jahre später veröffentlichten "Ghettoville" noch ein paar Schritte weiter ins düstere Nichts. Mit "AZD" wird der Dahingeschiedene nun nicht unbedingt wieder zum Leben erweckt, sondern zieht durch verrauchte Underground-Discos in einer anderen, fremden Welt – stets begleitet von den unheilvollen Geistern, die er rief. "AZD" ist ein verkopftes Monstrum von einem Album und doch tanzbar wie kaum ein anderes in Cunninghams Œuvre. Und an den wenigen Stellen, an dem es sich öffnet und einen kleinen Einblick in sein rabenschwarzes Inneres gewährt, traut man ihm kaum über den Weg.
Kein Wunder: Cunningham hat diesen Überfall auf sämtliche Gehörgänge bestens geplant. Die Vorabsingle "X22RME" gibt fast zweieinhalb Minuten vor, ein astreiner Clubtrack zu sein, bassgewaltig, hektisch, mit einer feinen Synthie-Melodie im Hintergrund. Plötzlich kommt der Break, das Gebäude stürzt in sich zusammen und Chaos breitet sich aus. Irgendwo in der Ferne clubbt es weiter, die vorherrschenden Störgeräusche sorgen für Orientierungslosigkeit, der eben noch tanzende Körper fällt mit voller Wucht auf den Boden, über den er eben noch mit vermeintlicher Leichtigkeit gefegt ist. Ganz anders verhält es sich mit dem spacigen "Fantasynth", das über seine fünf Minuten Spielzeit eine futuristisch anmutende Tonfolge wiederholt und doch mit jedem Durchlauf schneller, intensiver und, ja, geradezu einnehmender zu werden scheint.
Fast ist es so, als würde einem die gruselig-künstliche Hand vom Cover über das Gesicht streichen. Diese Ambivalenz aus Angst und Zuversicht zieht sich auch wie ein roter Faden durch den vergleichsweise zurückhaltenden Ambient von "Falling rizlas", während sich das darauffolgende "Dancing in the smoke" in einer zähflüssigen Masse aus Samples, allerlei Klangexperimenten und scheinbar wahllos eingestreuten Soundfragmenten auflöst. Regelrecht einschneidend ist hingegen "Faure in chrome", das in Zusammenarbeit mit dem London Contemporary Orchestra entstand und mit seiner Mischung aus echten und digitalen Streicher-Elementen ein buchstäblich hohes wie heiliges Versprechen für den nächsten Tinnitus ablegt. Ein Glück, dass "There's an angel in the shower" auf der Zielgeraden für etwas Erholung sorgt. Da können die Lider sich auch schon mal von ganz alleine schließen und bunte Farben vor dem inneren Auge tanzen, wirbeln, aus dem Nichts auftauchen und wieder verschwinden lassen. Unheimlich wird es erst, wenn man sie wieder öffnet – und die vielen bunten Farben immer noch da sind.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Fantasynth
- X22RME
- There's an angel in the shower
Tracklist
- Nimbus
- Untitled 7
- Fantasynth
- Blue window
- CYN
- X22RME
- Runner
- Falling rizlas
- Dancing in the smoke
- Faure in chrome
- There's an angel in the shower
- Visa
Im Forum kommentieren
Klaus
2020-09-01 17:15:46
Neues Album am 23.10."Karma & Desire"
MopedTobias (Marvin)
2017-05-10 18:49:17
Klasse Album, sehr düster und hypnotisch. Hätte ich ohne euch nicht entdeckt.
Armin
2017-05-04 22:21:06- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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