Thurston Moore - Rock n roll consciousness

Harvest / Caroline / Universal
VÖ: 28.04.2017
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Antithese und Original

Vier Jahre und kein Stück weiter: Während Wissenschaftler die erste Lichtbildaufnahme eines schwarzen Lochs in der nächsten Zeit erwarten, genügte für Freunde des Alternative Rock der Blick auf die frühen Zehner des 21. Jahrhunderts. Sonic Youth sind Geschichte. Weil Kim Gordon und Thurston Moore 2013 ihre Ehe beendeten. Dabei dürfte keine Band jemals derart beständig zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen sein wie die New Yorker. CBGBs, Ramones, Grunge, Nirvana, College Radio, Smashing Pumpkins – die Linien der Einflüsse und Bekanntschaften dürften endlos sein. Sonic Youth waren immer da. Und jetzt? Gehen sie größtenteils getrennte Wege. Doch: Sonic Youth sind immer noch da. Als Einfluss, als Größe, als verschriene Kritikerband. Und auf Thurston Moores fünftem Solo-Album "Rock n roll consciousness".

Wer nun die ungefähre Marschrichtung an dieser Stelle haben möchte: Hätte sich die Raumzeit gekrümmt und hätte es zwischen den Aufnahmen von "Murray street", "Sonic nurse" und "The eternal" eine alleinige Session von Moore gegeben, das hier wäre das Ergebnis. Weniger verrücktes Solo-Zeug, mehr Sound seiner Hauptband. Wobei er sich auf diesem Album auch nicht ganz von der Vergangenheit löst. Neben Debbie Googe (My Bloody Valentine) sitzt Ex-Bandkollege Steve Shelley an den Drums. Das tut dieser Platte ungeheuer gut, denn sein Rhythmus hielt schon immer die Struktur im Sound von Sonic Youth. In "Exalted" gibt es tatsächlich mal ein fast klassisches Gitarrensolo von Moore zu hören, bevor doch der Krach wieder durchbricht. Die grobe Struktur für solche Spielereien lieferte eben bisher am besten Shelley. Die verstimmten Gitarren finden trotzdem stets wieder zur passenden Melodie.

In "Turn on" entspinnt Moore wieder eine feine Folge an Tönen, bevor sich die ersten kleinen Missklänge untermischen, um doch nur die Harmonie perfekt abzurunden. Wohl kein Mensch dürfte ein ähnliches Verständnis für diese Art des Gitarrenspiels haben wie der 58-Jährige. Das findet sich jedoch nicht nur an dieser Stelle, sondern auf der gesamten Platte wieder. Wie sich dieser Song über zehn Minuten aufbaut, an Spannung zulegt, sich wieder entspannt, die Gitarren durchdrehen, sich Feedback einschmeichelt und darüber Moore singt, das ist einfach eines der besten Stücke Musik der letzten zehn Jahre. Es spielt hier nun einmal einer der besten Gitarristen dieses Planeten. Alleine das Feedback und das Gewitter im rumpeligen "Cusp" gehen perfekt runter. Dabei bleibt die Atmosphäre von "Rock n roll consciousness" stets gleich: Das hier ist mehr Sonntagvormittag als Samstagnacht. Wer will, soll es unter Spätwerk einordnen. Es wird diesem Album jedoch nicht gerecht.

Trotzdem finden sich hier mehr Kreativität und Drang als bei den ganzen Alben des aktuellen Indie Rock. Hier wagt jemand etwas. Klar, Moore weiß, wie sein Sound funktioniert, wo er andocken muss. "Smoke of dreams" steuert gemächlich auf sein Finale zu, in dem die Gitarre wieder ihre ganze Verstimmtheit zeigen darf. Allerdings sind Moore, Shelley und auch Googe einfach extrem gut eingespielt und haben das auf diesem Album festgehalten. Selten laufen die unterschiedlichen Spuren so wunderbar zusammen. Dazu gibt es Moores stillen Gesang, die Zeilen, die kaum gesungen, sondern stellenweise fast geflüstert scheinen. In aufgeregten Zeiten, wo Pathos trieft und fast alles nur eine schale Rückblende auf alte Zeiten ist, kommt dieses unaufgeregte Album genau passend. Als Antithese und als Original. Vielleicht sind wir wirklich kein Stück weiter. Doch Sonic Youth und Thurston Moore standen stets für Avantgarde. Die Rückbesinnung darauf, das Verharren im Weitermachen – all das braucht es vielleicht gerade dringender denn je. Sonic Youth sind immer noch da. Thurston Moore ist immer noch da.

(Björn Bischoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Exalted
  • Turn On
  • Aphrodite

Tracklist

  1. Exalted
  2. Cusp
  3. Turn on
  4. Smoke of dreams
  5. Aphrodite
Gesamtspielzeit: 42:54 min

Im Forum kommentieren

Felix H

2017-06-14 16:24:44

Macht Spaß. Bin auf nächste Woche gespannt, dann im Vorpgramm von Spoon. Was für eine tolle Kombination!

Gomes21

2017-05-22 08:50:15

Stimme zu, höre es jetzt seit einigen Wochen und es wird nicht langweilig. Ein kklasse ALbum und ganz sicher sehr weit oben unter meinen Favoriten des jahres so far.

Paninaro

2017-05-21 23:48:34

Bestes "Solo"- (nun ja) Album von Thurston Moore.

Fängt ja tatsächlich ein bisschen retro an vom ersten Eindruck her, aber beim genauen Anhören der Platte wird die SY-Schraube nicht nur weiter gedreht, sondern ist auch mal locker.

noise

2017-05-21 22:52:03

Ist wieder mal ein sehr gutes - teilweise meditatives - Gitarren Album geworden. Qualitativ reicht es wohl fast an den Vorgänger heran. Wobei ich "The Best Day" erst mal wieder hören müsste.
Interessant auch die VISIONS Rezension von Frau Helm beim "Vier Ohren Test" Sie findet wohl die Ergüsse von Moore grundsätzlich schlecht (diesen 5/12) weil er sich von Kim Gordon getrennt hat. So kann man das jedenfalls interpretieren. Scheint ja eine ziemliche Emanze zu sein.

Shame-On kleiner Onkel

2017-04-25 12:07:47

Verglichen mit den Großwerken von Sonic Youth ist das wirklich ein laues Lüftchen von einem Album, aber in diesen Zeiten, in denen im Bereich Punk und Rock nichts wirklich Erwähnenswertes mehr erscheint, nimmt man halt, was man kriegen kann:(

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