Joel Brandenstein - Emotionen
Starwatch / SonyVÖ: 31.03.2017
Authentische Gefühle und wo sie zu finden sind
Viel zu selten gibt es sie noch, die unverfälschte, wahre Emotion, nach der wir uns alle so sehr sehnen. Nur woran erkennen wir sie heutzutage noch in unserer viel zu unübersichtlichen Welt, in der Gefühle vorgegaukelt werden, um Produkte zu verkaufen? Was lässt uns also beispielsweise entscheiden, ob "Echte Liebe" ein kluger Marketingschachzug von Funktionären des BVB ist oder ob doch mehr dahintersteckt? Glücklicherweise ziert "Wer hören will, muss fühlen" nicht umsonst das Titelbild der Facebook-Seite von Plattentests.de. Hier also die Checkliste zur Identifikation echter Emotionen in der Musik: Todsicher erkennt man sie an Streichern, Piano und Herzschmerzlyrik. Ist es traurig, singt der Künstler im Falsett. Wird er von den Gefühlen übermannt, kann es auch zu einer etwas raueren langgezogenen Silbe kommen. Stammen die Texte vom Künstler, ist alles authentisch. Ist zudem noch etwas Handschriftliches dabei, kann man definitiv von wahren Gefühlen sprechen. Bei der Suche nach aktuell relevanten Beispielen fiel das auf Platz eins der deutschen Album-Charts eingestiegene "Emotionen" von Joel Brandenstein ins Auge. So viel sei vorweg verraten: Hier werden echte Gefühle beschworen.
Streicher, Piano, Herzschmerz, Falsett, langgezogene Silben mit angetäuschter Reibeisenstimme: Check. Eine gedruckte Unterschrift auf dem Cover macht das Bild komplett. Ein Schelm also, wer daran denkt, Starwatch Entertainment, Tochterunternehmen von ProSiebenSat.1, habe die aktuelle Verkaufsträchtigkeit bedeutungsschwangerer Balladen entdeckt und deshalb den per YouTube bekannten Joel Brandenstein mit dem Produzenten von Mark Forster ins Studio geschickt, weil eine raue Stimme viel zu gerne mit Authentizität verwechselt wird. Dass die Texte nicht von einem gewieften Ghostwriter stammen, muss man Brandensteins Aussagen in Interviews glauben, sofern man es durch das Album geschafft hat. Wer würde sonst schon freiwillig zugeben, Zeilen wie "Es trifft mich, Dich zu treffen" oder "Merkst Du nicht / Dass es mir schwerfällt? / Ich bin der / Der jetzt schwer fällt" selbst geschrieben zu haben?
Der schier unerschöpfliche Ideenreichtum Brandensteins wird in jeder Sekunde von "Emotionen" deutlich. Da wäre das flotte "Schwarzweiss", die liedgewordene Idee, Bilder seien schwarz-weiß am schönsten. Und da wären die verbleibenden elf Liebeskummer-Nummern mit abwechslungsreichen Glanzstücken wie der gefühlvollen Powerballade "Immer nur Du", der gefühlvollen Powerballade "Zeitmaschine" oder der gefühlvollen Powerballade "Anker". Hinzu kommen noch Weisheiten wie "Nach jeder Ebbe kommt die Flut" aus "Ebbe & Flut" oder "Einer liebt immer mehr". Wie könnte Brandenstein es also auch nicht schaffen, mit diesem ausgebufften Konzept echte Gefühle in seinen Hörern zu wecken? Wahrscheinlicher als wirkliche Rührung wären zwar Trauer, Zorn und Übelkeit, aber immerhin. Zum Glück nichts, das eine ausgedehnte Pilzrahmsuppenkur nicht kurieren könnte. Und schon bald hat man hoffentlich jeden einzelnen austauschbaren Ton von "Emotionen" vergessen und kann etwas Sinnvolleres mit seinem Leben anfangen. Vielleicht töpfern?
Highlights & Tracklist
Highlights
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Tracklist
- Immer nur Du
- Zeitmaschine
- Farbenmeer
- Polaroid
- Willkommen
- Schwarzweiss
- Einer liebt immer mehr
- Fehlerfrei
- Graue Stadt
- Anker
- Blindflug
- Ebbe & Flut
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Böhmi
2017-04-25 06:15:59
Ich vermisse Jim Pandzko in den Referenzen.
Dieter
2017-04-21 11:38:36
Schwülstig über Gefühle singen und jeden Tag ne andere haben...
Karl
2017-04-19 21:49:38
Danke für die mehr als passende Rezension
Armin
2017-04-19 20:54:39- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Joel Brandenstein - Emotionen (4 Beiträge / Letzter am 25.04.2017 - 06:15 Uhr)