Aereogramme - Sleep and release

Chemikal Underground / Zomba
VÖ: 03.03.2003
Unsere Bewertung: 9/10
9/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Das Salz in der Wunde

"A story in white" war eine Geschichte mit offenem Ende. Eine, die viele Fragen nach sich zog, keine Antworten offenbarte und noch mehr neue Rätsel aufgab. Woher kam die bedingungslose Zerstörungswut der vier Schotten von Aereogramme? Wieso formten sie erst diese wundervollen Songs mit all ihren verspielten, detailreichen Abzweigungen, wenn wenig später doch sowieso breitbeinige Metal-Riffs darüber hinwegwaltzen und ihnen das spitze Ende einer Flying-V durchs Herz bohrten? Woher kam der Mut, Konventionen aufzubrechen, neue Wege auszukundschaften, sich in unbesiedeltem Gebiet niederzulassen? Warum war diese Musik zu allem bereit, nur nicht zur bloßen Schönheit?

Plausible Gründe für Aereogrammes Musikterrorismus liefert auch ihr neues Album nicht. "Sleep and release" sucht nicht nach neuen Ansätzen, es konzentriert sich auf Verfeinerung und Verdichtung, bessert dort nach, wo der Vorgänger noch Nahtstellen zwischen den Extremen erkennen ließ. Das Spiel mit diesen wurde derweil perfektioniert und bringt Gegensätze an einen Tisch, die sich unter weniger sensibler Regie nach zwei Minuten die Köpfe einschlagen würden. "Sleep and release" ist eine bis ins hinterste Eck durchdachte und -komponierte Jam-Session, ein stummer Urschrei, untrennbare Zerrissenheit. Und manchmal ist es all das im gleichen Song.

Bereits das erste Stück nimmt vieles vorweg, was "Sleep and release" auszeichnet. Wüste Stop-And-Go-Riffs jagen in "Indiscretion #243" einer ungewohnt klaren Melodie hinterher, prallen zwischenzeitlich mit Rummelplatz-Orgel und bierseligem Irish-Pub-Chor zusammen, bolzen am Ende aber doch wieder alles in Grund und Boden. Das Beste aus Genie und Wahnsinn, zusammengestaucht in enge drei Minuten. Ein Brocken, den man erst mal schlucken muß. Aereogramme wissen das und nehmen deshalb das Tempo raus: "Black path" ist der kürzeste Weg vom aufgetakelten Streicher-Orchester zum abgeschminkten Popsong und wieder zurück. Seit wann tragen Coldplay eigentlich Vollbärte?

Ständig versuchen die eigenwilligen, kraftstrotzenden Songs, die Platte in eine andere Richtung zu ziehen. Wenn Aereogramme wie Elefanten im Porzellanladen der Gefühle durch "No really, everything's fine" toben oder im gigantischen "Wood" ihren blanken Haß um sich schlagen lassen, durchziehen feine Risse das Fundament des Albums. Dennoch droht es nie auseinander zu brechen. Aereogramme sind zu jeder Zeit Herr über das brodelnde Ungetüm. Sie lenken "Sleep and release" nach ihrem Belieben und spielen die Gegensätzlichkeiten so gekonnt gegeneinander aus, daß die Platte am Ende nicht mal mehr am Unmöglichen scheitert und noch größer wird, als die Summe ihrer Einzelteile. Das Weiße in den Augen der Popmusik.

(Daniel Gerhardt)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Indiscretion #243
  • No really, everything's fine
  • Wood
  • -

Tracklist

  1. Indiscretion #243
  2. Black path
  3. A simple process of elimination
  4. Older
  5. No really, everything's fine
  6. Wood
  7. Yes
  8. In gratitude
  9. A winter's discord
  10. -
Gesamtspielzeit: 50:00 min

Im Forum kommentieren

Leech85

2024-08-11 08:27:00

Ja fishtank ist bisher auch nicht meines gewesen. Hab es oft versucht.
Ist komisch weil ich ISIS eigentlich liebe. Aber das war irgendwie nix. Bin aber auch kein riesen Fan von so Collaborationen wenn ich ehrlich bin.

My heart has.....ist für mich ca. ne 7. Höre ich noch oft aber ist nie auf dem alten Level und für mich sogar etwas schwächer als die 2 Unwinding Hours Alben.

Yeah! Schauen wir mal obs klappt!

monktime

2024-08-11 06:45:39

in die fishtank kam ich nie wirklich rein, muss ich wohl nochmals ne chance geben. my heart war sehr gut, aber für mich „nur“ 8/10, während a story ne 9/10 und sleep and release 10/10.
alright cool let‘s meet! schreibt mir ne mail bart underline buck@hotmail.com

Mr Oh so

2024-08-10 23:27:45

Durfte sie mehrmals in kleinen Clubs erleben. Kann mich immer noch an die wahnsinnige Dichte erinnern, die sie erzeugt haben. Man "schwamm" geradezu im Sound. Herrlich.

Eye_Llama

2024-08-10 22:36:38

@Unangemeldeter: Dass sie live großartig waren kann ich nur zustimmen. Kann mich auch gut an "The Unravelling" erinnern. Aber rückwirkend würde ich Sleep an Release definitiv eine 10/10 geben und als Album für die Insel verewigen. 2003 habe ich "Hail to the Thief als Album des Jahres ernannt. Sieht aber heute anders aus.

zeckezichter

2024-08-10 20:50:10

Tolles Album 9/10. Ich hatte eine Karte für eines der letzten Konzerte und bin dann leider krank geworden, habe sie nie live gesehen. :( Ein paar Jahre später war ich dann bei the Unwinding Hours, das war sehr intensiv und auch versöhnlich für mich. My Heart has a wish ist eines meiner absoluten Lieblingsalben, wäre schon toll das nochmal live zu erleben.

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