N'toko - Emirates

Unique / Groove Attack / Believe Digital
VÖ: 17.03.2017
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Der Linksausleger

Europa ist verloren. Europa ist gescheitert. Europa ist wütend. Irgendetwas stimmt mit diesem Kontinent seit einigen Jahren nicht. Die einen sind verunsichert, die anderen radikalisiert. Nur bei Miha Blazic hat sich wenig geändert. Der Slowene, der Anfang der 2000er den Künstlernamen N'toko angenommen hat, ist seit Jahr und Tag überzeugter Marxist. In seinem Blog trägt er ein Sammelsurium an gesellschaftlichen Missständen zusammen. Flüchtlingskrise. Protest. Ausgestoßene. Nur nach Beiträgen über das Musikbusiness, über Shows und Künstlerleben findet man wenig bis nichts. Warum auch? N'toko ist ein Paradebeispiel jener Musiker, die immer dann auftreten, wenn die Welt aus den Fugen gerät. Seine Reime sind so straight und meinungsgeladen, wie die Uzi-Beats, die jedes Wort zu einem Manifest schmieden. Was Public Enemy und Dead Prez für die Black-Power-Bewegung waren, ist N'toko für die europäischen Linke. Wenn Kate Tempest "Europe is lost" schwarzmalert, schießt Blazic in "Emirates" hinterher: "We'll make your poverty a fashion / Blue screens and spotlights / Fuck like an assassin." Dazu Flöten, die bis zum Brechreiz malträtiert werden. Die Linke sitzt.

N'toko lässt auf seinem ersten englischsprachigen Album gar nicht erst Zweifel aufkommen, wie er zu seiner Überzeugung gelangt ist. "Yugoslavia" beginnt zu gehacktem Klavier als Biographie und endet als Abgesang auf die Welt nach der Wende. Als "bad-ass communist" geboren, wandert der junge Blazic mit seinen Eltern in die USA, bekanntlich das beste Land der Erde, aus – und ist nicht wirklich davon angetan. Als er nach Slowenien zurückkehrt, ist er noch weniger überzeugt von der Nachwendezeit. Der Osten hat sich in einen schmierigen Kapitalistenhort verwandelt, verloren zwischen Systemen: "Ten years ago we built shopping malls / Tried to be like theses happy people." Er fand nach seiner Rückkehr einen Polizeistaat, Korruption, eine "motherfucking dead colony". Amerika? Verloren. Slowenien? Am Arsch.

Blazic sieht sich als Teil jener 99 Prozent der Menschheit, die nach und nach den Aufstand gegen eine endglobalisierte Welt vorbereiten. Dafür stellt er alles in Frage und findet mit hämmernden Elektrobeats wie in "Obey" ein Ausdrucksmittel, das Botschaft und Sound kaum besser vereinen könnte. Das repetitive "No, no, no" stemmt sich gegen jeden Konformismus. Keine Götter, keine Grenzen, keine Polizei. In seinen Augen hat die Welt nicht an Möglichkeiten, sondern an Gleichförmigkeit gewonnen. Mit Klippan, Ektorp und Billy hat sich die Menschheit dem einheitlichen Konsum unterworfen – N'toko schickt den "Ikea killer".

Bis jetzt hat sich der um sich schlagende Linksausleger nur einem kleinen Publikum offenbart. Die wenigen englischsprachigen Texte fanden fast nur in seiner Heimat und überraschenderweise in Japan eine schwer abhängige Hörerschaft. Mit "Emirates" wird sich das ändern. Ähnlich wie Krisenzeiten klare Meinungen provozieren. Mit N'toko hat der europäische Political Rap eine mächtige Stimme erhalten, die im kindlich-persiflierten Metallica-Titel "Enter sandman" eine allzubekannte Botschaft verkündet, die nach Revolution schmeckt: "We are the 99 percent / Who are you?"

(Bastian Sünkel)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Obey
  • Emirates
  • Yugoslavia
  • Ikea killer

Tracklist

  1. Obey
  2. Emirates
  3. Yugoslavia
  4. Lumber games
  5. Free hugs
  6. Hihats
  7. Vultures
  8. Optimist
  9. Ikea killer
  10. Filth cop greed
  11. Enter sandman
Gesamtspielzeit: 36:36 min

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Armin

2017-03-29 21:38:47- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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