High Plains - Cinderland

Kranky / Godbrain
VÖ: 10.03.2017
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Kuntergrau und dunkelbunt

Gar nicht lange fackeln, vielmehr direkt reinzoomen und abdrücken. So machen High Plains das, wenn sie mit "Cinderland" vorstellig werden. Da darf der Opener und Titeltrack direkt vorangehen, düster dröhnen und mit ein paar stoischen Klavieranschlägen eine bedrückend langsame Kamerafahrt durch das Grau in Grau des auf dem Albumcover präsentierten Reliefs im Kopf der Hörer evozieren. Und Streicher dazu geben, die wenigstens ein kleines bisschen musikalischen Trost spenden, in all der spröden Atmosphäre, die der Song sonst atmet. Ein Einstieg, der direkt an der geistigen Stabilität seiner Hörer nagt. Und unmissverständlich klar macht, dass die Band zwischen Schuberts "Die Winterreise" und schroffen Landschaften, die als Inspiration ins Feld geführt werden, mit leichter Kost nichts zu schaffen haben möchte. Ambient ist das Genre der Wahl.

Wobei das Duo aus Kanada konsequent den Schwarz-weiß-Filter über all das Treiben auf "Cinderland" legt. Und das klingt noch viel zu fröhlich. Ein Treiben findet nämlich schon mal gar nicht statt. Viel lieber beschränken sich Scott Morgan, der sich schon länger als Loscil in düsteren Electronica-Gefilden herumtreibt, und Cellist Mark Bridges auf eine einzelne Idee, die sie ganz langsam und subtil vorantreiben. Ohne jede Spur unnötiger Sperenzchen. Keine groß angelegten Laut-leise-Spielereien. Keine Haken und Ösen. Bestenfalls eine Melodie, oftmals einfach nur ein einzelner Ton. Das wird dann vorsichtig angereichert, mit ein paar Streichertupfern. Oder ein bisschen Electronica. So dröge das klingen mag, so überraschend gerät "Cinderland" immer wieder. Wenn etwa "The dusk pines" jenseits seiner zwei Grundtöne immer wieder mal zu Momenten von erhabener Schönheit findet, weil ganz unverhofft eine Melodie angedeutet wird. Wenn "A white truck" urplötzlich bedrohlich laut und dissonant wird. Wenn "Song for a last night" klingt wie der Soundtrack zu Uwe Timms Roman "Vogelweide". Oder wenn sich "Ten sleep" mal nicht auf Steinway und Cello verlässt, sondern sich ganz weit hinein wagt, in die Welt der Electronica.

Das sind die Momente, die stets eine gewisse Besonderheit ausstrahlen. Weil man sie braucht, in all der schmerzhaften Konsequenz, in der dieses Album ansonsten die musikalische Version von unfassbarer Einsamkeit durchdekliniert. Und weil "Cinderland" es jederzeit schafft, dieser Besonderheit Raum zu verschaffen. Indem das Album sich bis auf ein paar Field Recordings beinahe vollständig von der Welt abkapselt und sich ganz entrückt und in sich gekehrt eine eigene Realität erschafft. Eine farblose zwar, aber auch eine, die eine geradezu betörende Faszination verströmt. So gerät dieses Album zu einem schwer beschreiblichen Unterfangen. Ein abseitiges Vergnügen, das einen vollständig und endgültig runterziehen, in der entsprechenden Dosis aber auch geradezu kathartische Wirkung entfalten kann. Ein Manifest der Trostlosigkeit. Besonders wertvoll.

(Martin Smeets)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Cinderland
  • The dusk pines
  • Ten sleep

Tracklist

  1. Cinderland
  2. Blood that ran the rapids
  3. The dusk pines
  4. A white truck
  5. Ten sleep
  6. Black shimmer
  7. Hypoxia
  8. Rushlight
  9. Song for a last light
Gesamtspielzeit: 36:16 min

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myx

2017-03-18 10:44:11

Habe mir heute das Album geordert. So etwas wundervoll Schwermütiges und sanft Hingetupftes habe ich noch nicht in meiner Sammlung. Und natürlich eine gelungene Rezension. Kenne bislang erst den Titeltrack, bin sehr gespannt auf die weiteren Stücke.

myx

2017-03-16 07:20:14

"Cinderland" gehört: sehr schöne "Trostlosigkeit", muss ich schon sagen ... ;)

Armin

2017-03-15 17:23:12- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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