Sorority Noise - You're not as _____ as you think
Big Scary Monsters / Al!veVÖ: 17.03.2017
Fill in the gap
Da klafft und prangt sie, diese ominöse Lücke. Sorority Noise, dieser verschmitzte Viererpack aus Connecticut, lassen einfach mal ein Wort weg. Mitten im Titel ihrer neuen Platte. Ein in jedem Fall bedeutungstragendes, wie derjenige bemerken wird, der diese Hausaufgabe im Falle von "You're not as _____ as you think" brav erledigt. Sorority Noise wählen dabei eigentlich nur den Pfad, der Kunst zum großen Teil ausmacht, ihr immer schon innewohnt. Schließlich entfaltet ein Werk seine volle Bedeutung auch erst durch die Rezeption, die Intepretation des Betrachters oder Zuhörers. Doch auch das passt. Denn Sorority Noise erzählen gleichermaßen kleine Geschichten und große Tragödien des menschlichen Daseins, die es schon sehr lange wert sind, angehört und aufgesogen zu werden.
Auch wenn das phänomenal gute 2015er-Album "Joy, departed" hierzulande nicht offiziell erschienen ist, wurde einem das Beiwohnen nicht gänzlich verwehrt. Im Zeitalter des Streamings und der digitalen Downloads spielte sich dieses Album voller herzerwärmender Kleinode nachhaltig in Hirn und Mark, und Sorority Noise wurden als heißer Geheimtipp gehandelt. Diesen Status untermauert der lärmende Indie-Rocker "No halo", Vorbote und Opener des dritten Longplayers. Was fürs Ohr vermeintlich nach Aufbruchstimmung klingt, windet sich vielmehr in trauerndem Unverständnis, im Nicht-begreifen-können des Todes eines guten Freundes, den man lange nicht traf, und plötzlich vor seiner leeren Wohnung steht. Auch in "A portrait of", das in melancholische Riffings getüncht ist und am Ende mit den emotionalen Versen einer persönlichen Erklärung aufwartet, steht der Protagonist vor den Scherben einer persönlichen Beziehung, die erst von den Mühlen des Alltags und schließlich vom Tod ausgelöscht wurde.
Sänger und Gitarrist Cameron Boucher textet frei von der Seele, legt Emotionen, Trauer wie auch kleine Geschichten und Geheimnisse offen. Er erzählt äußerst stringent, wandert dabei stilsicher sowohl auf den Pfaden eines Will Toledo, oder huldigt in traurigen Momenten wie "First letter from St. Jean" dem Narrativ eines John K. Samson. Ergreifend gerät auch "Leave the fan on" durch sein energisches Post-Punk-Finale, vor allem aber die zweite Single "A better sun": Hier nimmt Boucher nicht nur auf den Rilo-Kiley-Song "A better son/daughter" von "The execution of all things" Bezug, sondern schildert den Zustand einer ähnlich schweren Depression. Dazu entwickelt das Stück einen Sog, wie es selbst auf einem so tollen Album wie diesem nur selten gelingt.
Trotz des Schmerzes und aller Ernsthaftigkeit ist "You're not as _____ as you think" eine melancholische, teils aber auch flotte und fluffige Indierock-Platte. Die unüberhörbaren Reminiszenzen an den guten Emorock der Neunziger schaffen dabei den Spagat zwischen Blick zurück und Blick nach vorn über flehende "Where are you?!"-Ausrufe im gleichnamigen Stück: "Is everything ok? / No, not right now / But it will be!" Denn, wie Boucher selbst sagt: "Es gibt keinen anderen Weg. Du musst einfach immer weitermachen. Du musst!" Und eben hier liegt nicht nur der Sinn, sondern auch das große Potenzial dieser ominösen Lücke im Titel: Wer sich in einer seelischen Extremsituation wiederfindet, ergänze wahlweise "sad", "happy", "cool", "done" oder gar "fucked up" und lerne, das Leben immer wieder neu zu betrachten. Einen Versuch ist's wert.
Highlights & Tracklist
Highlights
- No halo
- A portrait of
- A better sun
- Leave the fan on
Tracklist
- No halo
- A portrait of
- First letter from St. Jean
- A better sun
- Disappeared
- Car
- Where are you?
- Second letter from St. Julien
- Leave the fan on
- New room
Im Forum kommentieren
Gordon Fraser
2017-12-06 19:36:30
Gefällt mir immer noch ganz gut.
achirgendwaslassmichinruh
2017-05-08 16:34:28
Hammer-Album! Ich werde beim Hören ganz nostalgisch - das klingt wie die Musik meiner schwindenden Jugend.
Lovejoy Division
2017-03-17 14:12:43
kickt mich wieder mal überhaupt nicht. auf forgettable gab es einige gute momente, aber das war es auch.
finde seine screamo-hauptband old gray da wesentlich spannender. sowas wie everything is in your hands schlägt doch jeden sn-track um längen. schade, dass slow burn vom letzten jahr hier keine erwähnung fand oder die an autobiography davor.
wundert mich aber nicht, da er mit ts mehr zuspruch findet, dockt ja irgendwie auch an diesen altrock/softgrunge-trend an.
Armin
2017-03-10 17:25:31- Newsbeitrag
Milo
2017-03-09 16:28:02
Bin auch gespannt wie ein Flitzebogen! "Disappeared" ist wirklich super!
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