HVOB - Silk

Tragen
VÖ: 24.02.2017
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Schwarmintelligenz

Faszination und Grusel liegen bei hochmoderner Elektronik oft nahe beieinander. Die Folge "Hated in the nation" der britischen Fernsehserie "Black mirror" spielt in einer dystopischen Zukunft, in der die aussterbenden Bienen durch ein voll elektronisches Pendant ersetzt wurden, um eine ökologische Katastrophe abzuwenden. Durch einen Eingriff in die Programmierung mutieren die glänzend-filigranen Insekten zu millionenfach herumschwirrenden und doch unbemerkbaren Killerdrohnen. Dieses Bild wäre eine ideale Illustration zu einer Szene im Opener "The blame game" auf HVOBs neuem Album "Silk". Und zwar für jenen Moment, in dem sich aus dem einfachen Arrangement mit Gesang, Gitarre und viel Hall plötzlich ein gewaltiger, elektronischer Bienenschwarm erhebt: Knarrend, summend, bedrohlich. Der Effekt ist verblüffend. Als erste Reaktion zu dieser unerhörten Klangkulisse kann einem schon mal ein kalter Schauer über den Rücken laufen. Ein Eindruck jenes wohligen Unbehagens, den das Wiener Produzentenduo mit seiner Musik hervorzurufen vermag und das der Reaktion auf einen guten Horrorfilm gleicht.

HVOB bedeutet "Her voice over boys" und besteht aus Anna Müller und Paul Wallner. Dass ihre Musik so assoziativ ist und beim Hören geradezu plastische Szenarien vor dem inneren Auge entstehen lässt, hängt wohl auch mit der Kunstliebe der beiden zusammen: HVOB haben schon die musikalische Untermalung zu einer Ellie-Saab-Kollektion beigesteuert und ein Kunstwerk in der Londoner Tate Modern vertont. Für die Live-Performance ihres letzten Albums entwickelte das Duo für alle zehn Songs gemeinsam mit anderen Künstlern Gesamtkunstwerke aus Sound, Video und Lichtinstallation. Für ihr drittes Studioalbum gingen Müller und Wallner eine unerwartete Kooperation ein: Niemand geringeres als Winston Marshall von Mumford & Sons schlug eine Zusammenarbeit vor und HVOB sagten freudig zu. Deep House trifft Indie-Folk? Keine Angst, die melancholische, kontemplative Stimmung, die HVOBs Markenzeichen ist, wurde durch diese Kollaboration kein bisschen heiterer, allenfalls ein wenig melodielastiger.

Die Kombination von männlicher und weiblicher Stimme und weitläufigen, synthetischen Klanglandschaften erinnert zwangsläufig an The xx. Nur das HVOB sich noch mehr Zeit lassen, Spannungsbögen zu verfolgen und Motive bis auf den letzten Tropfen auszukosten. Außerdem haben sie mehr Mut zur Lücke. Immer wieder ebbt die Musik fast völlig ab, begnügt sich mit Andeutungen. "Torrid soul" wird über weite Strecken von ein paar spärlich eingestreuten Begleitakkorden, Gesang und einem einsam klimpernden Klavier in weiter Ferne getragen. Nichts steht zwischen den einzelnen Impulsen, was die Spannung mildern und den Song vorantreiben könnte. Man muss die Langsamkeit ertragen und sich auf jede Wendung neu einlassen. Erst in der fünften Minute wird der Song mit Bass und Handclaps aus seiner Lethargie geweckt. In "Disguise" erinnert die minimalistische Begleitung zur nur gehauchten Melodiestimme an einen Herzschlag, der mit seiner akzentuierten Rhythmik im Gegensatz zu den oszillierenden elektronischen Schwingungen steht. Auch "Hands away" ist von einem durchlaufenden Pulsschlag geprägt, die tiefen Schläge entfalten eine geradezu körperliche Wirkung irgendwo in der Magengegend. Ein Klavier und sanfte Bläser kehren die Stimmung zwischenzeitlich ins Versöhnliche, ja geradezu ins Euphorische. Der Pulsschlag läuft indes unbeeindruckt weiter, an das unaufhaltsame Verrinnen der Zeit gemahnend. Trotz der sorgfältigen Behandlung aller melodischen Ideen und ihrer Länge – mit Ausnahme zweier Intermezzi ist keiner kürzer als 5 Minuten – wirken viele der Songs eher wie Skizzen, die nach langer Anlaufzeit und langsamer Steigerung plötzlich einfach aufhören oder versickern. Die düstere Stimmung klingt aber noch lange nach. Vielleicht sogar bis in den nächsten verstörend-schönen Traum hinein.

(Eva-Maria Walther)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The blame game
  • Torrid soul
  • Hands away

Tracklist

  1. The blame game
  2. Glitter
  3. Torrid soul
  4. Disguise
  5. Astra
  6. Deus
  7. Hands away
Gesamtspielzeit: 34:47 min

Im Forum kommentieren

Steff

2017-03-09 18:30:57

Super "band" --- leider ist das Album auf cd oder bei itunes noch nicht vorbestellbar ... obwohl nur noch 2Wochen bis zum release??

musie

2017-03-09 16:14:32

das letzte Album war ausgezeichnet, bin gespannt aufs neue.

cargo

2017-03-09 15:24:04

Kleiner Vertipper beim VÖ-Datum. Das müsste der 24.03. sein.

hr

2017-03-09 14:10:41

früher machten sie andere musik unter andersm namen

https://www.plattentests.de/rezi.php?show=6838

Geht's noch?

2017-03-08 22:26:44

Könnt ihr es bitte lassen, das Forum mit euren Rezensionen vollzuspammen? Die ganzen wesentlich wichtigeren Threads sind plötzlich weg.

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