Candelilla - Camping
Trocadero / IndigoVÖ: 24.02.2017
Mit kalter Schnauze
Es gibt beim Prozess des Scheiterns einer Beziehung einen Punkt, an dem kein Wohlwollen und Argument die verblasste Liebe zurückzuholen vermag. Jede noch so ambitionierte Diskussion verpufft im Ansatz, da die Herzen nicht mehr in der Lage sind, ihre beschlossene Exit-Strategie zu überdenken. Im Gegenteil: Jeder gesprochene Satz ist Bestätigung für das zuvor gefällte Urteil. Point of no return erreicht. Ausfahrt verpasst. Da der Musik ja mitunter auch eine gewisse Korrelation zur Gefühlswelt nachgesagt wird, verwundert es kaum, dass auch hier die besten Argumente auf taube Ohren stoßen können, wenn sich die Liebe einfach nicht (mehr) einstellen will. Davon können Candelilla auf ihrem dritten Album leider nicht nur ein, sondern ganze zehn Lieder singen.
Dabei sind die Ausgangsbedingungen günstig: Karies, Messer, Die Nerven, All Diese Gewalt oder auch Human Abfall – die Neue Deutsche Härte ist schon lange einer Kälte gewichen, die sowohl im Feuilleton als auch bei einer Vielzahl von Hörern für warme und wohlwollende Worte sorgt. Auch vier Münchenerinnen schlagen ihr Lager mit "Camping" inmitten eines distanzierten Trübsinns auf, der dieser Tage so gerne als Post-Punk betitelt wird. Im Vergleich zu oben genannten Genrevertretern entfacht die hier zelebrierte Kälte allerdings kein Feuer der Leidenschaft. Dies könnte an den teils etwas ungelenk und bemüht wirkenden Lyrics von Sängerin Mira Mann liegen. Sätze wie "Ich mag, wenn Du mir vertraust / Du sendest News, die mich interessieren" sollen wahrscheinlich überhaupt nicht berühren, wirken aber selbst in einem ironisch-künstlerischen Kontext steif.
"Trocken und staubig" bleiben lautet dann auch die selbstbewusst vorgetragene Parole. An sich ist das in Ordnung, problematisch wird es allerdings durch den Umstand, dass sich Candelilla musikalisch ebenfalls knietief im Ungefähren aufhalten. Hier wird so lange reduziert, bis oft einfach zu wenig übrig bleibt. Ein mal mehr, mal weniger drückender Bass, sparsam variierende Gitarrenthemen aus verzerrtem und zu Tode monotonisierten Figuren treffen auf fröstelnde Piano- und Synth-Sounds sowie gepresst vorgetragene Unemotionalitäten. Dann und wann schummeln sich sogar Melodieskizzen wie in "Transformer" hinein. Aber es bleibt dabei: Candelilla musizieren mehr aus einer Haltung heraus, als dass sie ausdrucksstarkes Liedgut zu bieten hätten.
Das funktioniert gut in einem Song wie dem unheilvollen "Ruhig draußen" mit seiner auf die Spitze getriebenen Distanziertheit. Auch "Intimität", das entfernt an Blumfelds Verstärker erinnert, kann punkten. Nur wo Jochen Distelmeyer für die Songbooks der Ewigkeit "Jeder geschlossene Raum ist ein Sarg" dichtete, schnippen Candelilla Sätze wie "Die Welt ist Zucker, sie liegen an einem Pool" in den leeren Raum. Diese Poesie baut keine Brücken, sondern lässt den Hörer auf einer einsamen Insel zurück. Das kann man als zu dechiffrierende Kunst würdigen, im Zweifelsfall aber auch lediglich achselzuckend zur Kenntnis nehmen. Wer derart abweisend und kaltschnäuzig um die Gunst seines Publikums buhlt, darf nicht enttäuscht sein, wenn er in diesem Fall die kalte Schulter gezeigt bekommt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Intimität
- Ruhig draußen
Tracklist
- Augen
- Hand
- Trocken und staubig
- Intimität
- Transformer
- Ruhig draußen
- Atmen
- Tier
- Pool
- Wüste
Im Forum kommentieren
Armin
2017-04-07 14:42:36- Newsbeitrag
Randwer
2017-03-08 19:59:16
@Oliver
eher unterbewertet
Oliver
2017-03-01 21:02:39
Überbewertete grantige Weiber
Arbeiter
2017-03-01 20:55:39
Mir gefällt das Werk gut. Merkwürdig, dass die Stücke nun nicht mehr nur mit Zahlen betitelt sind.
Armin
2017-03-01 20:47:21- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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