The Away Days - Dreamed at dawn

Pasaj
VÖ: 17.02.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Spontaner Logout

Stau in der Großstadt. Überall Hektik und abertausende Hup-Geräusche. Plötzlich Explosionen in spürbarer Nähe. Verstörende Momente von unbestimmter Intensität, denen jeder gerne entrinnen wollen würde. Zugleich sind sie authentische Beobachtungen von Oguz Can Özen. Er und seine Band The Away Days bieten das traummalerische Schlupfloch für den Sprung aus einem kollektiv erlebten Unwohlsein. Einfach mal die Augen schließen und für eine gute Dreiviertelstunde die ständige Beschissenheit der Dinge ausblenden. Nach mehreren EPs und punktuellen Erwähnungen in der hype-verliebten Presselandschaft erscheint nun das erste Album des Quartetts aus Istanbul, das spielerisch einen internationalen Anspruch erfüllt. Dabei changiert der Sound zwischen all den sphärischen Irrungen und Wirrungen, die so als Shoegaze oder Dream-Pop durchgehen. The Away Days lassen sich vom grenzenlosen Vorrat an Eindrücken inspirieren, der in all den schwer verdaulichen Turbulenzen steckt. Von dort aus geben sie ihren Ideen etwas zutiefst Tröstendes, das der permanenten Reizüberflutung sanftmütig entgegenwirkt.

Speziell die erste Hälfte samt Opener "Downtown" und der herrlichen Single "Places to go" ist in ihrer unprätentiösen Schlichtheit noch leicht trügerisch und könnte genauso gut auf einer Phoenix-Platte stattfinden. Hier tummeln sich lupenreine Indie-Pop-Songs, die mit eingängigen Harmonien kaum geizen. Diese generelle Leichtfüßigkeit geht über die gesamte Spielzeit nicht verloren. Wenn die Band mit "World horizon" eine dermaßen stimmige Hommage an die lampion-verhangenen 80er-Jahre auftischt, ist Stress etwas, mit dem sich höchstens das Zukunfts-Ich auseinandersetzen muss. Erstmal abschalten und an einen Ort gleiten, der gänzlich unberührt vom Chaos der Außenwelt bleibt. Easy-Listening ist trotzdem nicht angesagt. Das Kollektiv neigt ebenso dazu, lose Kompositionsenden aufzugreifen und auszureizen. Die erdachten Sehnsuchtsorte könnten dann maßloser kaum sein. Hier toben sich die Herren aus und platzieren allerlei Verlockungen, die den Wunsch nach dem spontanen Logout befeuern.

"Time warps in Istanbul" markiert dabei so etwas wie den Wende- und einen neuen Fluchtpunkt. Mit diesem Wechsel nach den musikgewordenen Tagträumen für fast jedermann schlägt die zweite Hälfte der Platte die uneindeutigeren Töne an. Fortan erweisen sich die Strukturen als offener und weitaus weniger berechenbar. Immer seltener drücken sich die Zeilen direkt ins Hinterstübchen und in so manchen Songaufbau mogeln sich breitere Gitarrenwände und postrockige Vorstöße, die so zu Beginn wirklich nicht zu erwarten waren. "Now you don't know" und "Layers" schaffen in dieser Umgebung den Spagat zwischen Melodie und Komplexität am charmantesten. Der Gesang bleibt dabei stets ein situatives Schwelgen im Irrealen, gleichermaßen zurückgenommen wie präsent. Trotz der atmosphärischen Zweiteilung pulsiert durchgehend ein stimmiger Klang, der mehr als jede Einstiegsdroge das Zurücklehnen und Vergessen predigt. Indessen driften Hörer und Gehörtes ekstatisch sowie elegant durch die Zeit. Mit viel besseren Attributen können aufmerksam gelebte 24 Stunden auch nicht punkten.

(Michael Rubach)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Places to go
  • World horizon
  • Now you don't know
  • Layers

Tracklist

  1. Downtown
  2. Places to go
  3. White whale
  4. Making ends meet
  5. World horizon
  6. Time warps in Istanbul
  7. Dream of how
  8. Less is more
  9. Now you don't know
  10. Monks
  11. Strip to
  12. Layers
Gesamtspielzeit: 48:04 min

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