Surfer Blood - Snowdonia
Joyful Noise / Terrorbird / CargoVÖ: 02.02.2017
Blut, Schweiß und Tränen
Musiker haben ganz unterschiedliche Strategien, mit Trauer und Verlust umzugehen. Nick Cave schrieb nach dem Tod seines Sohnes mit "Skeleton tree" sein vielleicht tiefgründigstes Album, in dem er sich ganz der Resignation hingibt, ohne dem Ereignis einen Tropfen Sinnstiftung oder Hoffnung abzapfen zu wollen. Chrystal Fighter fordert auf Konzerten die Fans schon mal auf, so viel Lärm zu machen, dass selbst ihr verstorbener Bandkollege Andrea Marongiu es mitbekommt, wo auch immer er jetzt ist.
Auch Surfer Blood machen zunächst so weiter wie bisher – knalliger, pointierter Surfrock, in dem man sich sofort zu Hause fühlt. Mit dem Unterschied, dass das neue Album "Snowdonia" dem Gitarristen Thomas Fekete gewidmet ist, der im Frühjahr 2016 nach langem Kampf mit seiner Krebserkrankung verstarb. Doch schwarze Depression passt so gar nicht zu den lauen Sommernächten und sonnigen Stränden, die man mit dem Namen der Band und ihrem Herkunftsstaat Florida verbindet. So tun die Indie-Rocker weiter das, was sie am besten können und versorgen ihre Fans mit dem vertrauten sommerlich-positiven Sound, zu dem man schon mal abdancen kann. Der äußerst mitreißende Opener gibt den Ton an: Ein treibender Beat, ein mitsingbarer Refrain, Surf-Gitarre satt – was will man mehr. "Dino Jay" kommt mit einer ähnlichen Leichtfüßigkeit daher. Und doch merkt man bald, dass hinter den Kulissen mehr Raffinesse versteckt ist als vermutet. Bandleader John Paul Pitts erklärt beim Track-für-Track-Kommentar selbst, wie die musikalische Dichte zustande kommt: Hier wird mit "backwards guitars" (dem Abspielen von Tapes in umgekehrter Richtung), beschleunigten Loops und "Guitar-monies" (einer Art Gitarrenchor, in dem dieselbe Stimme multipliziert wird) gespielt. Vielschichtig ist auch "Six flags in F or G": Brodelnde Klampfen bilden eine Drohkulisse, durch die Pitts' Stimme hetzt wie getrieben. Dann wird das Ganze durch eine deutlich entspannter Szenerie mit bluesigen, sechssaitigen Einwürfen abgelöst. Schönes Gimmick für Klassik-Freunde und alle, die mal ernsthaft Spielen gelernt haben: Bachs Bourée aus der Suite für Laute in e-Moll schleicht sich höchst elegant in das Stück in wieder hinaus.
"Snowdonia", der titelgebende Track, nimmt auf dem Album eine Sonderstellung ein. Die Idee dazu kam Pitts in einem Traum, in dem ihm eine schöne Muse namens Snowdonia zur Seite stand. Verträumte Melodien stehen hier im Vordergrund, der Gesang spielt eher eine Nebenrolle. "Taking care of Eddy" ist hingegen die schnellste Nummer, die Surfer Blood je geschrieben haben, und eine der rockigsten dazu. Wie ein erfrischendes Sommergewitter geht das Lied über dem Hörer nieder. Der letzte Song "Carrier Pidgeon" ist dann wieder einer, der mit seinem Tiefgang überrascht: Mit seinen Scha-la-la- Backgroundvocals hört er sich zwar wie ein entschleunigter Beach-Boys-Song an, ist aber inhaltlich rabenschwarz. Pitts beschäftigt sich mit seiner eigenen Orientierungslosigkeit, nachdem seine Mutter im Januar 2016 ebenfalls eine Krebsdiagnose erhielt. Das Album endet mit den Worten "And maybe there were things that were shitty about the old world, too". Ein Versuch, der veränderten Realität nach dem Verlust einer geliebten Person etwas Gutes abzutrotzen? Oder drängt sich diese Deutung nur jedem auf, der um die dramatische Entstehungsgeschichte des Albums weiß?
Letztendlich ist egal ob trotz oder wegen des Verlustes: Surfer Blood machen weiterhin tolle Musik.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Matter of time
- Six flags in F or G
- Taking care of Eddie
Tracklist
- Matter of time
- Frozen
- Dino Jay
- Six flags in F or G
- Snowdonia
- Instant doppelgängers
- Taking care of Eddy
- Carrier pigeon
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Bamb00ch4
2017-02-17 01:38:42
Bin bis jetzt sehr angetan, obwohl ich erst die Hälfte gehört hab. Macht genau da weiter, wo der Vorgänger aufgehört hat. Mir gefällt dieser leicht gelangweilte, verschrobene Surfrock einfach
Armin
2017-02-15 21:16:48
Frisch rezensiert.
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