Dear Reader - Day fever
City Slang / UniversalVÖ: 24.02.2017
Von Stars und Sternchen
Möglicherweise gehört es sich als Rezensentin nicht, diese Frage zu stellen, aber angesichts des neuen Outputs von Dear Reader wundert man sich auch als solche schon irgendwie: Warum ist Cherilyn MacNeil eigentlich nicht bekannter? Die veröffentlicht mit ihrem Solo-Projekt ihr nunmehr viertes Studiowerk "Day fever", nachdem sie zuletzt 2013 mit "Rivonia" und dem Live-Album "We followed every sound" von sich hören ließ. Und wieder einmal überzeugt sie mit dem vollen Programm aus starken Texten, einer je nach Bedarf zarten oder selbstbewussten Stimme und einer eindrucksvollen Instrumentierung, die einprägsame Melodien schafft. Eigentlich müsste MacNeil ein Star sein. Ist sie aber nicht.
Nicht überliefert ist, ob sie das überhaupt will. Eventuell hat die Gute ohnehin einen völlig anderen Anspruch und ist froh, ihre Ruhe zu haben. So kann man wenigstens auch mal ein Experiment eingehen, ohne von aller Welt mit der Lupe dabei beobachtet zu werden. Für die Aufnahmen von "Day fever" zog es die gebürtige Südafrikanerin aus ihrer Wahl-Heimat Berlin in die "Tiny telephone"-Studios von John Vanderslice nach San Francisco. Gemeinsam mit dem Produzenten, der zuletzt etwa bei "Standards" von Into It. Over It. hinter den Reglern saß, nahm sich MacNeil gerade mal zehn Tage für das Album Zeit. Und auch das Video zur Vorabsingle "Then, not now", das von der Sängerin selbst gedreht wurde, überzeugt nicht nur durch seinen Analog-Charakter, sondern auch dank des neugewonnenen Willens, mal aus dem üblichen Rahmen auszubrechen und Unbekanntes zu wagen.
MacNeil mag nun wirklich kein Star sein, sorgt aber wie immer für das eine oder andere Sternchen in den Augen ihrer Zuhörer: Die feine Akustikballade "Nothing melodious" ist selbstverständlich alles andere als unmelodisch, sondern spielt sich mit detailliert gezupfter Gitarre direkt ins Herz. Und die bereits erwähnte Single "Then, not now" verfolgt oberflächlich zwar einen anderen Ansatz, indem sie auf vermeintlich opulentere Töne setzt, punktet bei genauerer Betrachtung aber mit dem für Dear Reader schon typischen Geschick für Feinheiten. Ähnlich verhält es sich mit dem fast versteckten Highlight "Mean well", das sich mit stetiger Wachsamkeit aufbaut und auf den großen Ausbruch am Ende mit voller Absicht verzichtet.
Der Pressetext formuliert es wohl am besten: Führte MacNeil mit ihren bisherigen Alben und insbesondere mit "Rivonia" zurück in ihre Vergangenheit nach Südafrika, konfrontiert sie auf "Day fever" die Gegenwart. "I know you can hear" verknüpft die derzeit wieder erstarkende Frauenbewegung geschickt mit beinahe romantischer Mythologie, während der rhythmisch einnehmende Opener "Oh, the sky!" ein geradezu post-apokalyptisches Bild zeichnet und dennoch die Hintertür für einen kleinen Rest Hoffnung sperrangelweit offen lässt. Zum Schluss fliegt "The run" dann aber doch selig über alle lauten Sorgen in den Abendnachrichten hinweg, geradewegs nach oben, über die Wolken, zu den Sternen. Wo Cherilyn MacNeil freilich längst hingehört – aber irgendwie sind wir ja doch ganz froh, sie mitten unter uns zu haben.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Mean well
- Nothing melodious
- Then, not now
- The run
Tracklist
- Oh, the sky!
- Tie me to the ground
- So pretty so pathetic
- Mean well
- Wake him
- Placate her
- If only is
- I know you can hear it
- Nothing melodious
- Then, not now
- The run
Im Forum kommentieren
Britt
2017-03-04 12:26:41
Oh ja - Dear Reader unbedingt live sehen.
Cheris Charme bringt Polkappen zum Schmelzen. ;-)
Autotomate
2017-02-16 15:17:24
Der Song oben überzeugt mich im Vergleich mit den tollen Sachen auf "Rivonia" noch nicht so. Mal sehen, was das wird...
AndreasM
2017-02-16 14:55:05
Ja, ein schöner Text und ich bin auch schon gespannt aufs Album. Im März sehe ich Dear Reader dann auch endlich mal live, irgendwie ist mir das in den letzten Jahren immer durchgerutscht.
Editor
2017-02-16 14:52:32
Schöne Kritik von Jennifer!
Armin
2017-02-15 21:14:14
Frisch rezensiert.
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