Vagabon - Infinite worlds

Father/Daughter / H'Art
VÖ: 24.02.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Frühjahrsputz

Das kleinste, emotionalste und wohl zärtlichste Album des Frühjahrs kommt von Vagabon, dauert keine 29 Minuten und ist somit kürzer als jede durchschnittliche Daily Soap. Mehr Zeit benötigt "Infinite worlds" nicht, um vor uns seine Wagenladung Sentimentalität auszuschütten. Um in acht smarten Nummern den eigenen inneren Frühjahrsputz zu erledigen. Um einzulullen, zu wärmen, zu kitzeln und neckisch in die Seite zu pieksen. Wer also zum Beispiel in seiner Mittagspause nichts anderes zu tun hat, darf gerne mal die Krawatte lockern, dieses Album einlegen und sich den organischen, knarzig-rumpelnden Kompostionen von Laetitia Tamko hingeben. Baumelt, Ihr Seelen!

Tamko selbst ist in Kamerun geboren, zog mit ihrer Familie nach New York, erlebte freilich den zu erwartenden Kulturschock und überwand ebenjenen mit, na klar, Musik. Ihr Ding ist jene Art von Indie-Rock, die sich solange an der Wunde rumpult, bis der Schorf abgeht und es wieder ein wenig zu bluten beginnt. Bis der Schmerz wieder spürbar wird und man wohl durch ihn als auch mit ihm erkennt, dass man noch so richtig am Leben ist. Und es eben weitergehen muss, egal wie frostig es in der Wohnung ist oder wie wenig Platz man in der überfüllten U-Bahn hat. Um viel mehr geht es in ihren Stücken natürlich nicht, außer vielleicht noch um die Liebe und deren Abwesenheit und alle Schattierungen dazwischen.

Und genau solche Platten braucht man in heißkalten Zeiten wie diesen: Vagabons Songs sind offen und clever, kommen aber ohne doppelten Boden aus. Ihre Ehrlichkeit, ihre Aufrichtigkeit tropft aus jeder Pore. "I feel so small / My feet can barely touch the floor / On the bus where everybody is tall", so frustrierend beginnt schon der melancholischöne Opener "The embers". Hier gibt es keine alternative Fakten, keine Filterblase, nur das eigene Bauchgefühl, die wohl verlässlichste Währung im tristgrauen Alltag. Im hervorragenden "Fear & force" kippt ihre Stimme ins Brüchige, wodurch die Nummer fragil wirkt, keineswegs jedoch schwächlich. Vagabons größte Stärke ist ihre Fähigkeit, Widersprüche auszuhalten. Zum Beispiel: mit viel Kraft und innerer Überzeugung über eigene und fremde Unzulänglichkeiten zu singen.

Die stärkste Nummer ist dann auch gleich jene, die am meisten instrumentalen Rückenwind bekommt: "Minneapolis" schlägt Wurzeln im scharfkantigen Indie-Rock und markiert damit das eine Ende des Spektrums, das die gebürtige Kamerunerin bespielt. Dem gegenüber steht "Mal à l'aise", eine fiebrig wabernde Synthpop-Nummer, die auf den ersten Blick wie ein Interlude wirkt, aber doch viel für die Binnenspannung auf dem Album leistet: als Ruhepol, Lichtung im Großstadt-Dschungel, Moment zum Durchschnaufen. Denn mit dem akustischen "Cleaning house" oder der düster-schimmernden Alternative-Kapriole "Cold apartment" geht es daraufhin wieder ans emotional Eingemachte. Unter uns: Auf "Infinite worlds" gibt es alles, was zählt.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Fear & force
  • Minneapolis
  • Cold apartment

Tracklist

  1. The embers
  2. Fear & force
  3. Minneapolis
  4. Mal à l'aise
  5. 100 years
  6. Cleaning house
  7. Cold apartment
  8. Alive and a well
Gesamtspielzeit: 28:34 min

Im Forum kommentieren

musie

2018-06-10 15:38:07

am primavera gesehen, war richtig gut auch live. das album ist sowieso super.

saihttam

2018-04-18 03:53:19

Super Album!

humbert humbert

2017-03-05 05:35:06

Für mich bisher das beste Album in diesem Jahr. Schade, dass es hier keine Resonanz findet.

humbert humbert

2017-03-03 22:32:33

Das Album gefällt mir wirklich sehr gut. Erinnert mich an die Band 'Life Without Buildings'.

humbert humbert

2017-02-22 18:20:06

Dann werde ich jetzt definitiv reinhören. Anonsten super Arbeitszeiten die du hast.

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