Minor Victories - Orchestral variations

PIAS / Rough Trade
VÖ: 27.01.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Zart aber herzlich

Die allerwichtigste Information gibt es gleich am Anfang: "Orchestral variations" ist weder eine B-Seiten-Sammlung, noch reine Resteverwertung und auch nicht das zweite Album der britischen Supergroup Minor Victories. Die Band, bestehend aus Rachel Goswell (Slowdive), Stuart Braithwaite (Mogwai), Justin Lockey (Editors) und dessen Bruder James vom Hand Held Cine Club, veröffentlichte im Juni 2016 ihr selbstbetiteltes Debütalbum "Minor Victories", welches seine volle Pracht erst nach einiger Zeit offenbarte. Was als Projekt Braithwaites entstand, der vor allem eine noisige Platte mit weiblichem Gesang produzieren wollte, wurde mehr oder weniger zum Überraschungserfolg.

"Orchestral variations" ist "Minor Victories" auf links gedreht – sämtliche der zehn Stücke des Debüts wurden als Instrumentals neu aufgenommen und im klassischen Gewand dementsprechend auch reinterpretiert. Waren die Songs in ihrer ursprünglichen Form größtenteils shoegazig-intensiv und stellenweise sogar brachial-wuchtig, ist hier das Gegenteil der Fall. Das Quartett entdeckt seine zarte Seite und schafft es auf diese Weise, ein völlig anderes Hörerlebnis hervorzubringen. Auch die Reihenfolge der Songs wurde geändert: Das einst mittig platzierte "Cogs" darf "Orchestral variations" einleiten und tastet sich nur zaghaft voran. Fast dreieinhalb Minuten vergehen, bis wirklich etwas passiert, so scheint es – und doch ist man da schon längst im Bann der Musik gefangen.

Dass "Orchestral variations" bisweilen mehr nach einem Soundtrack denn nach einem richtigen Album klingt, scheint nur allzu passend für diese Band, die vorher schon durch die cineastische Leidenschaft der Lockey-Brüder für eine starke visuelle Begleitung zur Musik sorgte. Das dramatische Auf und Ab in der Gefühlswelt des Hörers ist jedenfalls bemerkenswert: Wenn sich Hoffnung und Melancholie in "The thief" miteinander verbünden, wenn "Higher hopes" kurz vor Schluss euphorisch und voller Tatendrang in die Zukunft zu blicken wagt, wenn sich "Folk arp" glücklicherweise doch sehr am Original orientiert, das eines der größten Highlights war, ist das nicht nur im übertragenen Sinne großes Kino. Und doch – wirklich zu fassen sind die Bilder nicht, die sich da vor dem inneren Auge abspielen. Und das ist auch gut so.

Denn obgleich die zehn Stücke nicht nur eine Wohltat für die Ohren sind, sondern vor allem auch ans Herz gehen, wahren Minor Victories eine gewisse Distanz, die es ihnen erlaubt, über allem zu schweben – sozusagen ein musikalischer Schleier. Der ist immerhin lichtdurchlässig: Verspielt blitzen auf "Give up the ghost" immer wieder einzelne Sonnenstrahlen auf, die für Wärme sorgen, und "For you always" flutet in seinem Verlauf von knapp vier Minuten – es ist der kürzeste Track des Albums – gleich den ganzen Raum in einem satten Goldton. Den schönsten Moment aber heben sich Goswell und ihre Kollegen bis zum Schluss auf. Da verabschieden sie sich mit "Out to sea", das so gar nichts mehr mit seiner krachenden Schwester von 2016 gemein hat, sondern ein geradezu hochdramatischer, in purer Fassungslosigkeit zurücklassender Abschied ist. Ein gutes Gefühl bleibt dennoch: Dieser Vorhang, das ist sicher, ist noch lange nicht gefallen.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The thief
  • Give up the ghost
  • For you always
  • Out to sea

Tracklist

  1. Cogs
  2. Breaking my light
  3. The thief
  4. Give up the ghost
  5. Scattered ashes (Song for Richard)
  6. Folk arp
  7. For you always
  8. A hundred ropes
  9. Higher hopes
  10. Out to sea
Gesamtspielzeit: 59:32 min

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Frisch rezensiert. Meinungen?

2017-01-27 16:51:08

Perfekt zum einpennen.

Gomes21

2017-01-27 15:45:17

hätte große Lust da mal reinzuhören, blind kaufen würde ich es mir aber nicht. Vielliecht bietet sich ja irgendwann mal die Gelegenheit.

Experte

2017-01-27 15:34:05

Unwichtig

Armin

2017-01-25 22:05:06

Frisch rezensiert.

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