Betontod - Revolution

Arising Empire / Nuclear Blast / Warner
VÖ: 13.01.2017
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
3/10

Schampus statt Dosenbier

Na endlich mal wieder eine handfeste Diskussion. Irgendwann fiel es jemandem auf, dass ein Mailorder-Versand mit angeschlossenem Plattenlabel nicht nur etlichen Punkbands eine Plattform bot, sondern es auch wagte, ein T-Shirt einer Südtiroler Band mit, naja, sagen wir einmal zweifelhaftem Ruf zu verbreiten. Und plötzlich war nicht nur der Shop, sondern so ziemlich alle Bands, die dort einmal vertreten waren, geradezu verfemt. Sieht man einmal davon ab, dass die Lyrik besagter Südtiroler eher romantisch verbrämter Volkstümelei und Dicke-Hose-Pathos naiver Proleten-Pennäler als ideologisch fundiertem Faschismus ähnelt, ist es geradezu absurd, dass sich Bands wie beispielsweise Betontod plötzlich mit Vorwürfen konfrontiert sahen, sie würden allzu tief in braunem Matsch wühlen. Aber gut, wer Beweise für "korrekte" politische Einstellung suchen will – wer auch immer dieser Art von kulturellen Säuberung anhängen mag – der darf sich gerne mit den Machern der Sampler-Reihe "Schlachtrufe BRD" oder des "Punk im Pott"-Festivals unterhalten, die mehr als nur einmal die Punkrocker vom Niederrhein zu Gast hatten.

Packen wir also diese unsägliche und im Grunde genommen auch völlig unnötige Diskussion beiseite und unterhalten uns über Musik. Denn Punkrock, Niederrhein? Da war doch mal was? Richtig, es gibt da in Düsseldorf eine Band, die sich schon vor geraumer Zeit aus dem Punk in Richtung Mainstream-Pop-Rock verabschiedet hatte. Nicht ganz unschuldig am Wandel besagter Toten Hosen war ein gewisser Vincent Sorg, seines Zeichens Produzent einer Reihe von Bands der stilistischen Bandbreite von Schandmaul bis Kreator. Genau dieser Vincent Sorg betreut seit 2012 auch Betontod. Und zufälligerweise beginnen die Rheinberger seit eben jener Zeit und der Platte "Entschuldigung für nichts", sich die Charts von oben anzuschauen. Zufall? Wohl kaum. Erst recht nicht, dass die ersten Eindrücke auf "Revolution" nach dem ziemlich coolen Western-Intro frappierend an das Erfolgsrezept der Toten Hosen erinnern.

Denn was zuerst auffällt: Sorg hat mittlerweile so ziemlich jeden Widerhaken im Bandsound abgehobelt. Dicke Chöre, dazu ein Mitgröl-Refrain – fertig ist der Single-Hit. Eigentlich müsste man sowas komplett verachtenswert finden. Warum aber nur bleibt der Titelsong so hartnäckig im Ohr? Warum geht beim folgenden "Küss mich" der Griff reflexhaft zur Bierdose, woher kommt der dringende Bedarf nach ein bisschen Pogo, und wenn's mit einer Gruppe Passanten in der örtlichen Fußgängerzone ist? Ganz einfach: Weil Songschreiber und Frontmann Frank "Eule" Vohwinkel mittlerweile ein unfassbar feines Händchen für grandiose Hooks entwickelt hat. Und bei "Welt in Flammen" eben nicht in Verbrüderungs-Schunkel-Punkrock macht, sondern tatsächlich ernsthaft zornig ist und ganz im Vorbeigehen der Ideologie-Polizei die Doc Martens mit Vehemenz durch die Visage zieht. So muss das.

Was hingegen nicht sein muss, sind Refrains wie bei "Ich nehme Dich nicht", die allzu schmissig daherkommen, zudem den Bedarf an "Ohoho" und "Nanana" reichhaltig decken. Obwohl die dort eingestreute Hommage an die fröhlich fiepsblubbernden Sounds der C64-Ära wohlige Erinnerungen weckt. Und damit wären wir beim Kernproblem von Betontod: der Glaubwürdigkeit. Traut man einer Band, die mitten im Mainstream angekommen ist und größte Hallen füllt, wirklich die Straßenkämpfer-Lyrics von "Bambule & Randale" zu? Braucht es wirklich einen Song wie "Freunde", der zwar gut marschiert, aber doch allzu onkel(z)haft daherkommt? Wie so oft kommt es auf die Perspektive an. Aus zornigen jungen Männern sind nun eben doch gesetzte Herren geworden, die eher in den alten Zeiten schwelgen als den Aufstand zu proben. Während früher Opa vom Krieg erzählt hat, kramt Vaddern jetzt halt die mittlerweile rostige Sicherheitsnadel hervor, die früher mal im Ohr steckte. Und aus dem plärrenden Kassettenrecorder vor dem Kaufhaus ist nun eben die fette Stereoanlage daheim geworden. Alles gediegen, macht auch durchaus Spaß. Aber revolutionär ist das weiß Gott nicht mehr.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Küss mich
  • Welt in Flammen

Tracklist

  1. Intro
  2. Revolution
  3. Küss mich
  4. Welt in Flammen
  5. Ich nehme Dich mit
  6. Herz an Herz
  7. Verdammt schwer
  8. Freiheit oder Tod
  9. Bambule & Randale
  10. Freunde
  11. Es lebe die Freiheit
  12. Mann über Board
Gesamtspielzeit: 40:05 min

Im Forum kommentieren

Pinienterpentinöl. .. ... . .

2017-01-27 13:35:18

Guter Rock für echte Kerle, könnten allerdings patriotischer sein!

yo

2017-01-27 13:15:28

abgesehen davon würde der bandname total zu einer rechten kapelle passen. die band muss sich zumindest gefallen lassen, die verurteilungen selbst heraufzubeschwören.

S.v.K.

2017-01-27 13:12:14

wer mal auf der gond gespielt hat, muss sich nicht wundern, wenn er in einer bestimmten ecke landet und für die ein oder anderen für immer unten durch ist. dass so eine band hier rezensiert wird, ist schon seltsam.

Asti

2017-01-26 09:02:00

Schöne Rezi, die es sehr trifft. Zusätzlich würde ich gerne noch anmerken, dass die ruhigeren Songs auf "Revolution" eine gaaanz bittere Schlagerschlagseite haben. Macht es nicht besser. Da wo Betontod konsequent rocken, ist das Album richtig gut, aber zwischendurch wird dann doch zu häufig ins Fremdschämnäpfchen getrete. Schade eigentlich...

Armin

2017-01-25 22:03:35

Frisch rezensiert.

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