Antilopen Gang - Anarchie und Alltag

JKP / Warner
VÖ: 20.01.2017
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Besser als nix

"Schlimmer geht immer", sagt der Volksmund. Von wegen, siehe Horrorjahr 2016: Ein toter Promi-Liebling nach dem anderen, Brexit, Trump, Rechtsruck rund um den Globus. Kein Wunder, wenn man es langsam nicht mehr hören kann und dem Fatalismus verfällt. Dass aber selbst die ansonsten so standfest auftretende Antilopen Gang sich dazu hinreißen lässt? "Ich glaube fest daran, dass uns Pizza retten kann", singt das Trio in der ersten Single "Pizza" ihres neuen Albums "Anarchie und Alltag". Seit wann so sarkastisch, liebe Antilopen?

Nachhältig prägen das Album jene Songs, die geradeaus fechten, statt sich hinter ironischen Barrikaden zu verstecken: so zum Beispiel der Opener "Das Trojanische Pferd" – spätestens, wenn die Geigen ab 3:35 Minuten verstummen und der Bass wummert, als gäb's kein Morgen. Zerstörung von innen eingeleitet. Gewöhnungsbedürftig ist dabei der Autotune-Einsatz, der sich schließlich durch das ganze Album zieht, aber spätestens ab dem dritten Durchlauf auch nicht mehr auffällt. In "Patientenkollektiv" berichten Koljah, Danger Dan und Panik Panzer von ihren Erfahrungen mit Depression und Psychose und laden ein zur musikalischen Gruppentherapie. Und auch "Fugen im Parkett" hat die Schwächsten der Gesellschaft im Blick. Schorsch Kamerun trägt die Hook bei und legt dabei gewohnt viel Verrücktheit und Pathos in seinen Gesang – ein bisschen zu viel des Guten.

Das zweite Feature auf "Anarchie und Alltag" kommt von Fatoni. In "Liebe Grüße" wird ganz konkret der zweite Teil des Albumtitels begangen und zu viert allerlei Schwank geteilt, was durchaus Spaß bereitet, gerade weil Fatoni skilltechnisch Schwung ins Geschehen bringt. Den ersten Part, die Anarchie, übernehmen "Baggersee", das zwischen geachtelten Gitarren komplett Deutschland flutet, "RAF Rentner", welches Holger Meins gesteht, dass der Kampf leider doch nicht weitergeht, oder auch "Fiasko": Hier wird mit spanischen Untertönen zur Guerilla-Aktion aufgerufen. So weit so gut – die Durchschlagskraft eines "Beate Zschäpe hört U2" von "Aversion" oder "Molotowcocktails auf Bibliotheken" vom 2015er Mixtape "Abwasser" fehlt allerdings, trotz fortwährender Ton-Steine-Scherben-Zitate und der zweifelsfrei einwandfreien Attitüde der Rapper. Die von den Vorgängern bekannte Dynamik, gepaart mit linker Wut, scheint ein Stück weit verschütt gegangen. Dabei sollte es gerade eine Band wie diese sein, die in solchen Zeiten das Maul weit genug und deutlich hörbar aufmacht – und das fehlt "Anarchie und Alltag" bis auf wenige Gegenbeispiele, zumindest in der gewohnten Konkretheit.

Die Antilopen Gang scheint sich die Hörner offenbar ein wenig abgestoßen zu haben, dafür ist das eingangs erwähnte "Pizza" eben auch nicht das schlechteste Beispiel – Fatalismus bedeutet letztlich auch immer, dass der Bock irgendwie fehlt. Gänzlich unnötige Titel wie "ALF" – "Wenn ich mal nicht mehr weiter weiß, schau ich 'ne Folge ALF" – sind ein Symptom dessen. Zumindest, was die Live-Shows des Trios angeht, ist das nicht zu bestätigen, und lieber ein Album der Gang mit Schwächen als gar keines. Wenn das aber der Anspruch ist, dann kann man es gleich lassen ...

Immer dieser Fatalismus.

(Pascal Bremmer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Das Trojanische Pferd
  • Fiasko
  • Liebe Grüße (mit Fatoni)

Tracklist

  1. Das Trojanische Pferd
  2. Patientenkollektiv
  3. Pizza
  4. Fiasko
  5. Tindermatch
  6. ALF
  7. Liebe Grüße (mit Fatoni)
  8. Hilfe
  9. Baggersee
  10. Fugen im Parkett (mit Schorsch Kamerun)
  11. Flop
  12. RAF Rentner
  13. Lob der Lüge
  14. Gestern war nicht besser
Gesamtspielzeit: 52:52 min

Im Forum kommentieren

Danke für das tolle Album, Antilopen!

2017-12-29 14:08:33

Wer "ALF" als gänzlich unnötigen Titel bezeichnet, hat das Lied meiner Meinung nach einfach nicht verstanden. Ich persönlich finde es am besten aus dem Album, weil gerade in der ersten Strophe Danger Dan viel über sich Preis gibt und wie Koljah so schön sagt "Ich finde mich auch selbst darin wieder, wenn ich ehrlich bin."
Vielleicht sollte die Person, die den Text schrieb sich die Lieder nochmal anhören und auf sich wirken lassen. Meiner Meinung nach, haben die Antilopen hier mal wieder großartiges geleistet, eine wunderbare Mischung aus Klamauk machen, ernsten & tiefgründigen Themen und natürlich auch vieles was zum Nachdenken anregt. Mir zaubert es jedenfalls jeden Tag ein Lächeln aufs Gesicht.

@Fehlschluss

2017-10-10 19:36:46

Deutschland hat nun mal eine Vergangenheit mit Isreal. Auch wenn Menschen wie Du das gerne mal vergessen.
außerdem ist es ein Unterschied ob man den bombenabwurf auf das eigene Land besingt als wenn man den Abwurf auf ein fremdes Land (mit dem es nun mal eine gewisse Vorgeschichte gibt) besingt.
und jetzt Troll woanders.

Fehlschluss

2017-10-10 19:07:39

Das kann man beklagen, aber sich ernsthaft von einem Spruch wie "Atombombe auf Deutschland" provozieren zu lassen ist albern.

Interessante Aussage...würdest du das bei dem Satz "Atombombe auf Israel" auch so gelten lassen?

Sei doch ehrlich: das Lied wäre dann schon längst auf dem Index.

False Flac

2017-10-10 16:40:46

Die alte Antilopen Gang hat sich noch ungezwungen mit Themen befasst und mal mehr mal weniger etwas Sinnvolles zum Diskurs beigetragen. Seit Aversion ist das vorbei.
Das kann man beklagen, aber sich ernsthaft von einem Spruch wie "Atombombe auf Deutschland" provozieren zu lassen ist albern. Die Gang hat sich schon für immer für schlauer gehalten als sie ist. Das darf sie auch.

Fehlschluss

2017-10-07 21:52:54

... und wie man an dir sieht, ist es ihnen auch gelungen.

Glaubst du allen Ernstes, dass man im Gegenzug ein (Satire-)Lied veröffentlichen "dürfte", wenn dort bspw. von "Atombomben auf Isr.ael" gesungen werden würde? Kommt schon, ihr Antideutschen seid doch einfach nur komplett weich in der Birne, ihr checkt gar nichts mehr.

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