The xx - I see you

Young Turks / XL / Beggars / Indigo
VÖ: 13.01.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Markiert die Stelle

Drei dunkle Silhouetten spiegeln sich beim Anblick des verchromten X. Vielleicht wundern sie sich, wie sie es so weit bringen konnten, vielleicht ist ihnen schwindelig, vielleicht spüren sie auch Genugtuung. In ihre Köpfe können wir nicht blicken, doch es ist uns gestattet, ihren Worten und Melodien zu lauschen. Die drei Gestalten auf dem Bild heißen Romy Madley Croft, Oliver Sim und Jamie xx und gemeinsam bilden sie das Trio The xx, das wie kaum eine andere Band in den letzten zehn Jahren einen Trademark-Sound geprägt hat, der auf Reduktion und Nacktheit basiert – stripped down im besten Wortsinn. Fünf Jahre sind seit ihrem Zweitling "Coexist" ins Land gezogen, Jamie xx hat sich in der Zwischenzeit zu einem der gefragtesten Produzenten und Remixer gemausert, während Fans der ersten und zweiten Stunde sehnsuchtsvoll auf das neue Album gewartet haben. Keine Überraschung: Stilistisch bleiben sich die Briten treu, auch wenn minimale Verschiebungen den Kosmos der Band erweitern, sich dadurch neue Möglichkeitsräume ergeben. Der Blick bleibt geradeaus gerichtet, das Blickfeld hat sich indes ein wenig geweitet.

Die auf dem Debüt noch so prägnanten Gitarrenläufe wurden ja bereits auf dem Nachfolger von 2012 ein wenig zur Seite geschoben und auch auf "I see you" nehmen sie wieder eher beiläufige Nebenrollen ein. Zentral indes sind weiterhin die Stimmen von Croft und Sim, die umeinander kreisen, ineinander hineinlaufen, nacheinander sehnen und wechselseitig säuselnde Intimitäten austauschen. Sie bleiben ein Grundpfeiler und die wohl beständigste Konstante im Klangspektrum von The xx. Derweil darf nicht die tragende Rolle von Produzent und Beat-Bastler Jamie xx unterschlagen werden: Viele der neuen Tracks tragen eindeutig seine Handschrift, flirren sie doch durch nachtschwarze Gegenden, mit repetitivem Herzschlag und einer angenehm trägen Schläfrigkeit in den zarten Knochen, die einen nie mit Sicherheit wissen lässt, ob man gerade nicht doch träumt. The xx machen es dem Hörer mit "I see you" letztlich also leicht: Ihr Sound bleibt auf gewohnte Weise kühl-reduziert und ihre Songs handeln – nach wie vor – in aller erster Linie von der Abwesenheit der Liebe. Oder ähnlich frustrierenden Lebensumständen.

Dabei sind The xx im Jahr 2017 immer dann am besten, wenn sie sich eben nicht zu sehr auf ihr Standardprogramm verlassen. Wenn sie mutiger agieren, sich aus ihrem Schneckenhaus der Melancholie und Zärtlichkeit heraustrauen und ihre Strukturen aufbrechen. Bestes Beispiel hierfür ist die zweite Single-Auskopplung "Say something loving": Zu Beginn wird gleich ein Sample zerhackt, woraus sich der grundlegende Beat für das Stück ergibt. Sanft zitternd wankt die Nummer im nächtlichen Wind, Sim und Croft umgarnen einander, werden eins und erschaffen eine wahnsinnige Spannung, die sich später im blubbernden Rauschen auflöst. Ein Song, der sich schon jetzt zu den anderen Karriere-Highlights der Londoner gesellen dürfte. Aber auch "On hold", die erste Vorabveröffentlichung, weiß in seiner Einfachheit zu überzeugen. Ein frivoler House-Beat sorgt für Tanzbarkeit, wo leere Herzen nur noch in die Weite starren würden: "I don't blame you / We got carried away / I can't hold on / To an empty space / Now you've found a new star to orbit / It could be love / I think you're too soon to call us old / When and where did we go cold? / I thought I had you on hold."

Auch der Opener "Dangerous" sorgt für sich bewegende Körper, eine Fanfare erklingt in der Ferne, mantraartig wiederholen Sim und Croft ihre Botschaft, bis sie dem Hörer in Fleisch und Blut übergeht. Besonders schön hallt auch "A violent noise" durch die Finsternis: ein intensiver Trip, für den man die Augen geschlossen halten muss. Davor, danach und dazwischen platzieren The xx aber auch ein paar arg standardisierte Nummern, die zwar alle wunderbar klingen, dem Sound- und Ideenspektrum der Londoner jedoch nur wenig Neues hinzufügen können. Es bleibt heimelig-intim, köchelt mitunter aber auch in der eigenen Komfortzone. Aber natürlich können solche Anmerkungen als das vielzitierte Meckern auf hohem Niveau bewertet werden, legen The xx doch einmal mehr den ohnehin obsoleten Beweis für ihre popkulturelle Relevanz und ihre exorbitante Stilsicherheit ab. Davor ziehen wir den Hut. Und halten dem X weiterhin die Treue.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Say something loving
  • A violent noise
  • On hold

Tracklist

  1. Dangerous
  2. Say something loving
  3. Lips
  4. A violent noise
  5. Performance
  6. Replica
  7. Brave for you
  8. On hold
  9. I dare you
  10. Test me
Gesamtspielzeit: 39:15 min

Im Forum kommentieren

AliBlaBla

2021-08-09 20:12:54

Für mich
XX 9/10
COEXIST 8/10
I SEE YOU 10/10

ijb

2021-08-09 15:52:42

xx 9/10
Coexist 9/10
I see you 9/10

musie

2021-08-08 21:50:51

für mich
The xx 10/10
Coexist 9/10
I see you 8.5/10

Francois

2021-08-08 20:28:55

Alle 3 Alben 9/10

Edrol

2021-08-07 16:49:19

The xx 8/10
Coexist 8/10
I see you 7/10

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