
Mal Devisa - Kiid
BandcampVÖ: 01.03.2016
Schöner leiden
Reinste Magie? Herzerweichende Ehrlichkeit? Zwischen Freude und Traurigkeit wandelnde Melancholie? Trotzig-wütendes Aufstampfen gegen jegliche Ungerechtigkeit? Oder gar das schönste vorstellbare Leiden? Es gibt viele Arten, mit denen man die Musik beschreiben könnte, die Deja Carr alias Mal Devisa da auf ihrem Debütalbum "Kiid" präsentiert. Und doch merkt man bei der gerade mal 20-Jährigen recht schnell: Wenn jedes Wort eine Emotion, jede Zeile eine Herzensangelegenheit ist, hört man am besten nur zu anstatt zu hinterfragen.
"Kiid", das Carr in Eigenregie über ihre Bandcamp-Seite veröffentlicht hat, probiert sich an vielem aus: Lo-Fi-Rock, Blues, Folk – stellenweise gar mit der Silbe "Freak-" davor –, alles ist dabei, im besten Sinne nennt man das ambitioniert, manchmal wird das als Übermut verkannt. Aber Carr schafft ihre Übung und verhebt sich nicht: Wenn sie im zurückhaltenden "Live again" immer wieder die Frage "Why do we live again?" stellt, scheint sie die Antwort selbst gar nicht wissen zu wollen. Authentisch ist das, auch wenn es abgeschmackt klingt und Musik trotz aller Gefühle natürlich eine Kunst ist, die nicht "echt" sein muss. Carr ist es trotzdem.
Sie ist echt, wenn sie im Opener "Fire" gedankenverloren und für sich über das Feuer in ihrem Hirn sinniert und, fast schon nebensächlich, um Hilfe bittet – da merkt man das Lodern im eigenen Kopf spätestens nach der ersten halben Minute. Sie ist echt, wenn sie im gospelartigen "Sea of limbs" ihrem Gegenüber Mut macht mit den Worten "Keep your eyes open / I promise you are solid gold", und sie ist echt, wenn sie im tief-düsteren "In my neighborhood" jede Form von Unmut aus ihrem Inneren rauspresst. Warum das alles so echt wirkt? Weil Carr ihre Hörerschaft auf intime und gleichzeitig distanzierte Weise an ihrem Leiden teilhaben lässt.
Sie lässt sie gerade so nah heran, wie nötig, um selbst etwas zu empfinden und ist damit stets genau eine Stufe vor der völligen Selbstaufgabe, macht aus ihrem eigenen Leiden aber auch eine Schönheit: "Everybody knows" ist eine gesangliche Höchstleistung, das ständige Auf und Ab und das Be- und Entschleunigen natürlich Teile des Vortrags. Nachdem die drei Minuten Spielzeit verstrichen sind, hat jeder seine eigene Geschichte dazu im Kopf hervorgekramt. Etwas verspielter gibt sich "Daisy", das das eben noch geschundene Selbstwertgefühl einmal mehr aufbaut, bevor Carr im abschließenden Rap von "Dominatrix" den wohl echtesten, weil wahrsten Satz des Albums ausspricht: "Messing around I wrote a masterpiece." Recht hat sie.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Everybody knows
- Live again
- Sea of limbs
Tracklist
- Fire
- In my neighborhood
- Everybody knows
- Live again
- FAT
- Sea of limbs intro
- Sea of limbs
- Daisy
- Forget that I.
- Dominatrix
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Armin
2017-01-03 23:59:26
Frisch rezensiert.
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- Mal Devisa - Kiid (1 Beiträge / Letzter am 03.01.2017 - 23:59 Uhr)