The Dear Hunter - Act V: Hymns with the devil in confessional

RudeNetworks / Soulfood
VÖ: 09.09.2016
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 10/10
10/10

Mehr Lametta

Wer nichts mehr werden will, ist eigentlich tot. So sagen es zumindest viele. In diesem Sinn dürfte Casey Crescenzo quicklebendig sein und vor Energie nur so sprühen. Unter groß angelegten Konzepten macht es der aus Providence, Rhode Island stammende Musiker mit seinem Projekt The Dear Hunter kaum. Und Genregrenzen kennt der 33-Jährige nur deshalb, weil sie so schön knacken bei der Sprengung. Kein Wunder, dass sich der fünfte Teil der Dear-Hunter-Saga schon lange nicht mehr nur auf schnöden Progrock festlegen will. "Act V: Hymns for the devil in confessional" erzählt das am Anfang des 20. Jahrhunderts in Szene gesetzte Epos weiter, welches sich um einen Jungen, den Teufel, Zuhälter, Priester, Drogen, Leben und Tod dreht – eben all das, was zu einer guten Geschichte dazugehört. Um den vorliegenden Rahmen nicht zu sprengen, sei auf andere Orte verwiesen, welche die Story genauer sezieren.

Wie bei Coheed And Cambria gilt: Die sich im Hintergrund entwickelnde Geschichte ist ein Schmankerl für die Fans, muss aber keineswegs verstanden oder verfolgt werden, um die Musik genießen zu können. Anders als die New Yorker Genossen knicken The Dear Hunter jedoch am Ende ihres Zyklus nicht ein. Musikalisch wird stattdessen erst Recht in die Vollen gegriffen. Früher war mehr Lametta? Pah! Eine ordentliche Portion Theatralik wird auf alle erdenklichen Stilrichtungen gekippt, hier treffen Prog-Gitarren auf Indie-Pop, kurze Gewitter-Ausbrüche paaren sich mit elegant polierten Nummern. Bei "Mr. Usher (on his way to town)" wird der verschwörerische Anzugträger sogar ganz stilecht mit einem lupenrein jazzigen Swing-Song vorgestellt, welcher im Streicher-Outro endet. Nicht einmal das wirkt fehl am Platz, weil die Truppe ja sowieso gefühlt alle Genres abhandelt – und mit einem grandiosen Songfluss zu einem Ganzen verbindet.

Gleich "The moon / Awake" fährt nach dem kurzen Intro schon einiges auf. Männliche und weibliche Vokalisten, galoppierende Rhythmik, überbordende Dramatik, hakenschlagende Songstruktur, am Ende eine Art Zombiepolka – und das alles so leichtfüßig, dass die Vielfalt nie anstrengend wird. "The revival" schraubt indes seinem hyper-eingängigen Refrain mit entschiedenem Druck ins Langzeitgedächtnis. Und einen zwischen lethargischer Akustik, psychotischem Effekteinsatz und dramatischer Überladung sitzenden Track wie "The flame (is gone)" hätte sich Steven Wilson mit Sicherheit gerne in die Vita geschrieben. Ehrensache natürlich, dass das verdächtig betitelte "A beginning" einen standesgemäß karthatischen Abschluss dieses Mammutwerks bereitet. "A new beginning's waiting patiently" heißt es am Höhepunkt. Danach geleitet ein einsames Klavier samt Wasserrauschen zum Ausgang.

Es ist nicht einmal so, dass man "Act V: Hymns with the devil in confessional" erfolgreiches Anprobieren verschiedener Kleider attestieren kann – Crescenzos Songwriting ist so selbstsicher, dass nicht ausgetestet, sondern einfach gemacht wird. Keine Experimente nur um der Experimente willen. Selbst wenn der Pomp in manchen Momenten mit ihm durchgeht, wartet oft nur ein paar Takte weiter unvermittelt die emotionale Klatsche. Dabei sind die 73 Minuten voller Details und Wendungen gepackt, dass die Platte auch langfristig überraschend bleibt. Und damit ihrem großartigen, nur gerade einmal zwölf Monate früher veröffentlichten Vorgänger "Act IV: Rebirth in reprise" mindestens ebenbürtig ist. Erfreulich, dass es noch Alben gibt, deren großes Theater im Vordergrund von Substanz, Können und tollen Songs dahinter gestützt wird. Wie solche von The Dear Hunter.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The moon / Awake
  • The revival
  • The flame (is gone)
  • The march

Tracklist

  1. Regress
  2. The moon / Awake
  3. Cascade
  4. The most cursed of hands / Who am I
  5. The revival
  6. Melpomene
  7. Mr. Usher (on his way to town)
  8. The haves have naught
  9. Light
  10. Gloria
  11. The flame (is gone)
  12. The fire
  13. The march
  14. Blood
  15. A beginning
Gesamtspielzeit: 73:25 min

Im Forum kommentieren

dieDorit

2020-11-23 13:59:51

Bin über das Instrumental-Album "The fox and the hunt", das ich immer wieder gerne höre, auf die Band aufmerksam geworden. Jetzt sollte ich mich endlich mal der Act-Reihe zuwenden.

Der Wanderjunge Fridolin

2020-11-23 07:07:54

Großartige Platte. Da stimmt alles, bis hin zum Artwork.

pounzer

2020-11-23 01:36:30

Unglaublich gute Band (besonders Act V). Ich verstehe nie so ganz, warum die nicht viel bekannter sind.

Vennart

2020-11-22 23:23:58

Für mich Act IV vor V aber alles dieser Band ist auf höchstem Level!

The MACHINA of God

2020-11-22 17:26:30

Hmm, wohl schon die beste der Reihe. Vor der III wohl. Aber generell ist da alles sehr nah beisammen.

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