Mikko Joensuu - Amen 2

Svart / Cargo
VÖ: 11.11.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Der fliehende Finne

Faulheit kann man Mikko Joensuu wahrlich nicht unterstellen. Sein neues Projekt "Amen" erscheint nämlich gleich in drei Teilen, wobei die beiden bisher erschienenen Parts in Sachen Spielzeit die gute alte CD an ihre Kapazitätsgrenzen bringen. Während "Amen 1" zwar durchaus gelungen, aber insgesamt zu gleichförmig war, überzeugt "Amen 2" nun auf ganzer Linie. Joensuu spricht eine ebenso eigentümliche wie mitreißende Sprache. Nein, damit ist nicht das Finnische gemeint, sondern seine Musik. Und gnädigerweise singt er auch auf Englisch, sodass auch Normalsterbliche seine Worte verstehen können.

Entgegen landläufiger Klischees ist der Mann aus dem hohen Norden kein Trubsalbläser, wenngleich seine Musik eine tiefe Melancholie durchzieht. Fast schon harmoniesüchtig kommen die Arrangements seiner meist überlangen Kompositionen daher. Das mag bisweilen zwar kitschig wirken, dürfte aber jenen, die keine Probleme mit Dominantseptakkorden haben, ein Dauergrinsen aufs Gesicht zaubern. Der unprätentiöse und samtige Gesang des Finnen sorgt für zusätzliche Endorphinausschüttung. Wenn er beispielsweise in "What have I done" über Fehler der Vergangenheit sinniert und diverse Klavier- und Synthiemelodien Ringelreihen tanzen, bleibt kein Auge trocken.

Minimalismus ist nicht gerade Joensuus Stärke: Er trägt gerne dick auf, was sich vor allem in seiner Vorliebe für himmelhochjauchzende Streicherparts äußert. So steigert sich der Opener "Drop me down" in einen wahren Rausch hinein, und auch das flotte "No one knows" ertrinkt beinahe in sirrenden und flirrenden Klangflächen. In bloße Effekthascherei verfällt der Komponist dabei aber nie, vielmehr werden die harmonischen Exzesse von robusten Songs getragen. Diese kommen meist entspannt und meditativ daher. Doch wenn Joensuu die Zügel locker lässt, geht der Gaul gleich richtig mit ihm durch: Die elf Minuten von "There used to be a darkness" sind ein grandioser Ritt auf dem Regenbogen. Besonders der Basseinstieg nach dreieinhalb Minuten ist ganz großer Sport.

Joensuu hat ziemlich wahrscheinlich ein paar Schräubchen locker, wofür man nur dankbar sein kann. Die Chuzpe, von höchsten Höhen in den Marianengraben abzutauchen, muss man erstmal haben. Denn "Amen 2" endet karg, beinahe trist. Fast 20 Minuten dauert es, ehe "I gave you all" die Reise vom Himmel zur Hölle abgeschlossen und seinen letzten Atemzug getan hat. Eskapismus in seiner reinsten Form ist das. Zurück bleibt die Hoffnung, dass Joensuu nicht schon sein ganzes Pulver verschossen hat und die "Amen"-Trilogie zu einem würdigen Abschluss bringen kann. Fleißig wie er ist, kriegt er das hin. Ganz bestimmt.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Drop me down
  • What have I done
  • There used to be a darkness

Tracklist

  1. Drop me down
  2. Dying rain
  3. No one knows
  4. What have I done
  5. Sunshine
  6. There used to be a darkness
  7. Golden age of the lowland
  8. I gave you all
Gesamtspielzeit: 78:42 min

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