
Van Morrison - Keep me singing
Caroline / UniversalVÖ: 30.09.2016
Nichts für ungut, Sir
In den vergangenen Jahren wurde Van Morrison als herrischer Grantler niedergeschrieben. Meint er zumindest und erklärt gerne, dass Medien nur in Stereotypen denken können. Dabei ist er weiterhin schnell in Rage zu bringen. Etwa, wenn darauf angesprochen, dass seine früheren Meisterwerke aus seiner Diskografie herausstechen. Oder wenn er allzu schnell in eine Schublade mit Bob Dylan oder gar den Beatles geschoben wird, denn nein, das betont er oft, seine geistigen Ahnen sind die der schwarzen Blues- und Jazzmusik. Van Morrison würde auch aus der Haut fahren, wenn ihm endlich jemand dazu riet, was beim Hören seines mittlerweile 36. Studioalbums einfällt: Endlich die Unmengen an Demo-Kassetten ruhen zu lassen und etwas gegen seine Arbeitswut zu unternehmen. Übereifrige Ideen helfen niemandem.
Andererseits müsste der 71-Jährige abgeklärter reagieren. Ist er doch endgültig in diesem geruhsamen, leicht langweiligen Establishment angekommen, gegen das er so gerne gepoltert und gewitzt hat: Anfang 2016 wurde er von Prince Charles zum Ritter geschlagen, wegen Verdiensten an Musik und "um den nordirischen Tourismus". Als sei er ein Fremdenführer, weshalb er auf "Keep me singing" Städte wie Tiburon oder Bangor besingt. Was so wenig maßgeblich ist, wie die ganzen dreizehn Songs dieses Albums. Eher gehen sie in der monströsen Diskografie von Van "The Man" unter.
Früh schaltet das eröffnende "Let it rhyme" in den gemächlichen Easy-Listening-Modus. Die Arrangements sind anspruchsvoll und elegant, der Kern des Albums bleibt hingegen banal und trieft vor Klischees. Was für die Songtexte bedeutet: In ihnen zieht ein übler Wind auf, der nichts Gutes verheißt. Der Stift ist sowieso mächtiger als das Schwert. Im Herbst werden die Tage immer kürzer. Da können die Streicherflächen in "Out in the cold again" noch salbungsvoll sein und das Klavier dermaßen beseelt wie im Titelstück – Van Morrison gehen die Worte aus.
"Share your love with me", der von Bobby "Blue" Bland geschriebene und durch Aretha Franklin verewigte Schmerzgesang, sticht hervor. Weil Van Morrisons altersreife Stimme aneckt, er mehr als das Monotone und Öde besingt. Auch sonst fehlt, was ihn früher ausgemacht hat: Das wundervolle In-Sich-Gekehrte, das Grüblerische, Hadernde. Stattdessen trägt er den Swing in "The pen is mightier than the sword" unnötig lässig spazieren oder verdickt seinen Sound mit noch mehr Geigen, Blechbläsern, Mundharmonika. Weit entfernt vom Jazzpianisten in der schnieken Hotellobby liegt diese Gefälligkeit nicht mehr.
Die ersten neuen Songs seit vier Jahren, also seit "Born to sing: No plan B" von 2012, sind gehobener Durchschnitt. Vermisst wird Spielfreude und das Dringliche. Beides hat Van Morrisons jüngste Konzerte noch begleitet – so ungern sie aus Geldnot zu absolvieren waren. Ergreifen kann "Memory lane", gerade Mark Knopflers zwitschernde Gitarre. Der Rest bleibt ruhevoll wie der schnöde Vogel auf dem Albumcover. Keine Zoten, keine Schreie, dafür gibt es noch lyrischen Blödsinn in "Going down to Bangor": Von einem Wanderer, der wie Hans Guck-in-die-Luft den ganzen Tag vor sich hin triliert. Altersmilde. Fragwürdig. Unnötig. Nichts für ungut, Sir.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Out in the cold again
- Memory lane
- Share your love with me
Tracklist
- Let it rhyme
- Every time I see a river
- Keep me singing
- Out in the cold again
- Memory lane
- The pen is mightier than the sword
- Holy guardian angel
- Share your love with me
- In Tiburon
- Look beyond the hill
- Going down to Bangor
- Too late
- Caledonia swing
Im Forum kommentieren
Armin
2016-11-30 23:20:19
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Armin
2016-06-29 18:14:03
Van Morrison wird am 30. September 2016 sein neues Album “Keep Me Singing” via Caroline International veröffentlichen.
Der Künstler wird für drei Shows in Deutschland zu sehen sein.
„Keep Me Singing“ ist sage und schreibe Van Morrisons 36. Studioalbum, bestehend aus 13 Tracks – 12 neuen Songs geschrieben und performed von Morrison, so wie ein Cover des Blues Standards “Share Your Love With Me” – im Original von Alfred Braggs und Don Robey, vormals interpretiert von Künstlern wie Aretha Franklin und Kenny Rogers.
Für den Track „Every Time I See A River“ arbeitete Morrison mit dem bekannten Lyriker Don Black zusammen. „Caledonia Swing“ – der letzte Song des Albums, ist ein Instrumental Stück bei dem Van Morrison höchstpersönlich das Piano und das Saxofon bedient. Alle Songs des Albums wurden von Van Morrison produziert.
Hier die vollständige Trackliste:
Let It Rhyme
Every Time I See A River
Keep Me Singing
Out In The Cold Again
Memory Lane
The Pen Is Mightier Than The Sword
Holy Guardian Angel
Share Your Love With Me
In Tiburon
Look Beyond The Hill
Going Down To Bangor
Too Late
Caledonia Swing
Van Morrison wird für drei Shows in Deutschland sein:
13. Juli 2016 Jazz Open Stuttgart
08. September 2016 Junge Garde, Dresden
09. September 2016 Messehalle, Erfurt
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