Pajaro Sunrise - The collapse

Lovemonk / Godbrain
VÖ: 28.10.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Drama a la playa

Yuri Méndez, der sich seit nun zehn Jahren zusammen mit wechselnden Mitgliedern hinter dem spanischen Pop-Folk-Projekt Pajaro Sunrise verbirgt, ist traurig. Und wenn der im Netz kursierende Pressetext die exakte Wahrheit wiedergibt, hat er allen Grund dazu. Die Menge von Gefühlseruptionen, die "The collapse" vorgibt, bietet genug Stoff für ein Jahr abendfüllendes Seifenopern-Programm. Das Foto-Idyll, welches der Musik voransteht, ist da mehr als irreführend. Vor dem Produktionsbeginn war das blanke Nichts, und dabei handelt es sich ausnahmsweise um keine bodenlose Übertreibung. Méndez begann die Arbeit zu diesem Album quasi im Dunkeln, da eine Erkrankung ihm fast jegliche Sehfähigkeit nahm. Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, welche Songs er in dieser Zeit fabrizierte. Zwar ist jeder Anschlag von einer Grundmelancholie umschlungen, aber dennoch ist keine Verbitterung oder große Tristesse zu spüren. Unter dem Eindruck des ständigen Bombasts der Gegenwart legen Pajaro Sunrise eine falsche Fährte und starten eine zarte Rückführung ins Private, wo rundherum Kontinente und Weltmächte zu kollabieren drohen.

Der Opener "Into the sunset" kokettiert noch vehement mit der Aufnahmesituation, wenn das wenige Licht in solchen Zeilen hervordringt: "Strike a little match / And watch it burn." Mit dem Schlagzeug- und E-Gitarreneinsatz im Folgestück erschließt sich die Prolog-Qualität der vorangegangenen Minuten. In den Augen vieler sind Männer sicherlich komische Vögel. Doch wahrscheinlich hat niemand diese Selbst-Diagnose in so einem pointierten Kleinod untergebracht wie Méndez in "Man's the only bird who has no feathers". Vom ersten Ton an gewinnt dieses Stück auf ganzer Linie. Nach diesen einleitenden eigentherapeutischen Ansichten geht es vor allem um das weltenumspannende Gefühl der Liebe. Eine Liebe, die auch mal für zwei Menschen reicht oder wie im herzerwärmenden "Opening night" als bio-chemisch gesteuerte Vertrottelung daherkommt. Diese meist selbstreferentiellen Aha-Erlebnisse wirken echt und spürbar, weil der Vortrag dermaßen fragil konstruiert ist und doch von einem Selbstbewusstsein zeugt, das die Phasen des Lebens so ambivalent zeichnet, wie sie eben sind. Das Motto lautet unentwegt: "We better stand / For the collapse of everything."

Diese Haltung kommt nicht von ungefähr, denn Méndez ist ein Schlitzohr. Immer wieder durchsetzt ein fröhliches Pfeifen seine kleinen Kompositionen, wo es auch ein schlichter Abgesang täte. Das intime Schaudern wechselt zeitweise gar wie in "Bargain" oder "Eurohop" von depri in disco. Elektronische Elemente begleiten oder überspielen hier den erdigen Grundtenor des Albums. Der Neuanfang nach dem Schmerz wird mitgedacht und mitgesungen. Die vollkommene Aufgabe erringt nicht die Oberhand. Der Titeltrack ist hierfür das Paradebeispiel, da der gänzliche Untergang kaum lebensbejahender instrumentiert sein könnte. Im Angesicht des Scheiterns formieren sich neue Perspektiven, die das Werk vor allem gegen Ende in einen fast dauerpositiven Zustand kippen lassen. Gerade so, als wollen sich die Spanier von den Schwierigkeiten der Überwindung ablenken. Infolge unglücklichster Umstände hat der Sänger die eigene Kunst des Voranschreitens mittlerweile selbst bitter nötig. Die Frau ist genauso weg wie der Job für ein geregeltes Einkommen. Aber mit Sicherheit macht Méndez weiter. Vielleicht spielt er jetzt irgendwo sein Album und ringt den Nachwirkungen der hauseigenen Zerwürfnisse ein aufbäumendes Lächeln ab.

(Michael Rubach)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Man's the only bird who has no feathers
  • Opening night
  • The collapse of everything
  • Writing on the wall

Tracklist

  1. Into the sunset
  2. Man's the only bird who has no feathers
  3. Schiphol
  4. Opening night
  5. Il Predicamento
  6. This is not now
  7. The collapse of everything (Dirge)
  8. Way too far
  9. The collapse of everything
  10. The bargain
  11. Baby talk
  12. Writing on the wall
  13. The comeback
  14. Eurohop
Gesamtspielzeit: 52:46 min

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Armin

2016-11-23 20:48:18

Frisch rezensiert.

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