The Eye Of Time - Myth I: A last dance for the things we love
Denovali / CargoVÖ: 04.11.2016
Zappenduster durch die brennende Nacht
Wäre die Dunkelheit wirklich eine alte Freundin, so wie es einst zwei Hippies in ihrem bekannten Song behaupteten – dessen Traurigkeit nur von ihren ausgewaschenen und ungebügelten Hemden übertroffen wurde – hätte sie heute nicht mehr viel zu lachen. Und das läge vor allem an Marc Euvrie, mit dessen Solo-Projekt The Eye Of Time der Konjunktiv nun verlassen wird. Denn der französische Musiker zapft seine Kreativität direkt aus dem Unsagbaren ab. Oder kurz: Die Grundstimmung des Sujets bleibt hier zappenduster. Die Glocke schlägt gleich in "God is your loneliness" dreizehn, dessen Dringlichkeit zerfasert dann in den nächsten Minuten durch Loops und elektronische Ideen eines Rhythmus. Am Ende darf noch eine Gitarre ein paar schwarze Akkorde und Verzerrungen zurücklassen. Licht aus. Willkommen im Mythos.
Das vierte Album des Projekts von Euvrie gibt den Auftakt zu einer Trilogie, die sich um nicht weniger als die Menschheit und ihren Weg drehen soll. Und ja, das wollten schon viele Künstler schaffen. Doch Euvrie legt mit "Myth I: A last dance for the things we love" immerhin eine gute Ausgangsbasis. Er verpackt hier seinen Weltschmerz erstmal komplett ohne Worte – was schon einmal diverse Fettnäpfchen aus der Verlosung nimmt. Das Titelstück beginnt auf einem Piano, zwirbelt seine Melodie, taucht mit Bläsern tiefer in seine eigene Essenz. Euvrie spielt an dieser Stelle des Albums perfekt mit der Geschwindigkeit. Worte wären hier, so sehr es als Autor schmerzt, diesen Satz zu schreiben, vollkommen fehlbesetzt.
In "My dreams are dead, but they will be reborn with grounds, stones and ancient spells" fügen sich die Ambient-Versatzstücke unter die karge Melodie des Cellos. Hypnotisch klopft Euvrie in dem längsten Stück des Albums wieder und wieder die gleiche Atmosphäre ab, um ihr den letzten Rest an Schwärze abzugewinnen. Eine Reaktion sei seine Trilogie, auf die tragischen Ereignisse unserer Zeit, auf die Dinge, die Leute in diesen Tagen durchleben müssen, um zu überleben. Vielleicht lassen sich dafür keine Worte mehr finden, keine Worte, die nicht schon tausendfach gesagt und nichts eingebracht haben. Die Konsequenz daraus? In "Mass" spricht zwar eine Stimme, aber kaum verständlicher hinter ihrer Verzerrung. Eine Gitarre löst sich am Ende ab, die durch die brennende Nacht heult.
Das Konzept Euvries erinnert bei diesem Album unweigerlich an Godspeed You! Black Emperor und From Monument To Masses, allerdings erreicht er in der Kraft seines Sounds nie deren Epik. Braucht er aber nicht – denn er hat längst seinen eigenen Ausdruck gefunden, seinen eigenen Pfad in der Finsternis, den er beschreitet. Wenn sich Euvrie im letzten Stück noch einmal ans Klavier setzt und "I could sleep for thousand years" fast zerfällt, nur durch die paar Töne zusammenhält, die er aufbaut, dann möchte man glauben: Die Welt könnte ein besserer Ort werden. Ach, Du schon wieder, Konjunktiv. Das Licht darf trotzdem noch für einen Moment aus bleiben.
Highlights & Tracklist
Highlights
- L'enfer ce n'est pas les autres c'est moi
- A last dance for the things we love
- My dreams are dead, but they will be reborn with grounds, stones and ancient spells
Tracklist
- God is your loneliness
- L'enfer ce n'est pas les autres c'est moi
- Mass
- A last dance for the things we love
- My dreams are dead, but they will be reborn with grounds, stones and ancient spells
- I could sleep for thousand years
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Armin
2016-11-23 20:46:20
Frisch rezensiert.
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