Enigma - The fall of a rebel angel
Island / UniversalVÖ: 11.11.2016
Ein Bibelfest
Warum der Titel "Master of Ceremonies" ausgerechnet im Rap verankert ist, weiß der Geier. Michael Cretu hatte im Jahr 1990 für sein damaliges Pseudonym Curly MC den viel passenderen wortwörtlichen Ansatz. Eine klerikale Aura, viel Kunstnebel und SM-Anleihen mit Marquis-de-Sade-Namedropping führten das Enigma-Debüt "MCMXC a.D." und die Hitsingle "Sadeness" schnurstracks zum weltweiten Erfolg. Bis heute ist es eines der meistverkauften Alben aus Deutschland – und der mit Abstand größte Erfolg in Cretus Vita. Hatte sich Enigmas Stil noch bis zur Jahrtausendwende gut gehalten, gerieten die folgenden Alben dagegen zunehmend schwächer. Zuletzt wurden auf den katastrophalen "A posteriori" und "Seven lives many faces" gar HipHop-Beats, protzige Gitarren oder stumpfe Technobeats verarbeitet. Zeit für eine Rückbesinnung, Auftritt für "The fall of a rebel angel".
Das achte Studioalbum nach ebenso vielen Jahren Abstand zum Vorgänger kann zumindest in dieser Hinsicht für Erleichterung sorgen. Die ganz unteren Peinlichkeitsregionen lässt Cretu diesmal weitestgehend unbesucht. Höchstens werden Erwartungen dann effektiv in den Sand gesetzt, wenn der Schulterschluss mit den großen Hits angestrebt wird. Sprich: Wenn ein Song schon "Sadeness (Part II)" heißt, sollte sich dahinter mehr verbergen als ein müder Abklatsch des Titelstücks von "Das Phantom der Oper" samt unglaublich nerviger Orgel, welche die Chose leider großzügig durchsetzt. Wenn die indonesische Vokalistin Anggun dann auch noch versucht, die Laszivität einer Sandra zu erreichen, aber mit hölzernen französischen Zeilen nur ungelenk und spröde wirkt, ist die Blamage perfekt. Immerhin: Enigma steigen kein weiteres Mal auf der LP so tief in den Qualitätskeller hinab.
Selbstverständlich ist das Songdutzend mit einem gleichermaßen aufgeblasenen wie undurchsichtigen Konzept garniert. Eine "symbolische spirituelle Reise zur Erlösung" soll die Platte darstellen. Zur Vertiefung existiert sogar zu jedem Song noch eine in drei Sprachen gesprochene Erläuterung – wovon an dieser Stelle zur Vermeidung von komatösem Schlaf dringend abgeraten wird. Das Hauptalbum präsentiert sich indes auf der Schneide zwischen altgedientem Sound und sanft eingewebten neuen Einflüssen. Die zeichnen sich vor allem durch elektronische R'n'B-Anleihen aus. "The die is cast" würde dank Mark Joshers stimmkräftiger Hilfe ohne Probleme als Track von The Weeknd durchgehen. Andernorts, wie bei "Lost in nothingness" oder der wunderbaren Unkonkretheit von "Absolvo", klingen The xx an. Die wortlosen Stimmenverschnitte in "The omega point" und "Oxygen red" hätten dagegen auch Crystal Castles dankbar angenommen.
All diese Acts haben erst seit dem letzten Enigma-Album ihren Aufstieg erlebt – war Cretu am Ende langfristig doch einflussreicher als man glaubt? Schwer zu sagen. "The fall of a rebel angel" gibt sich jedenfalls hinter all dem konzeptionellen Tamtam zum Großteil banal. Das sich von leisem Flirren zu mächtigem Pomp steigernde "Agnus Dei" ist da eine der guten Ausnahmen, das elegische "Amen" schafft außerdem einen würdigen Abschluss der Platte. Allerdings klingen Enigma trotz Steigerung zu den Vorgängern auch 2016 äußerst gestrig und nicht selten auf billige Weise biblisch oder esoterisch. Zudem macht zielloses Gewaber einen zu großen Teil der Platte aus, was Cretu früher eleganter vermeiden konnte. "The fall of a rebel angel" umschifft so zwar einen erneuten Totalausfall, erschallt aber dennoch nur als ein Echo besserer Tage.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Agnus Dei
- Absolvo
Tracklist
- Circle eight (feat. Nanuk)
- The omega point
- Diving
- The die is cast (feat. Mark Josher)
- Mother (feat. Anggun)
- Agnus Dei
- Sadeness (Part II) (feat. Anggun)
- Lost in nothingness
- Oxygen red (feat. Anggun)
- Confession of the mind
- Absolvo
- Amen (feat. Aquilo)
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Mathias
2018-12-09 23:49:07
Ein wahres Meisterstück! Mann (Frau) sollte sich ein Paar ordentliche Kopfhörer ab 300eur zulegen und in ein phänomenales Klangerlebnis eintauchen!
Paninaro
2017-05-17 08:57:55
Schlaffe Eso-Grütze.
stfu
2017-05-17 02:10:51
in deutschland regiert der neid auf den erfolg von cretu. dabei ist das neueste album von enigma mal wieder ein zeitloses meisterwerk!
Ey Linder
2016-11-24 07:03:16
Nicht jeder hat so einen elitären Musikgeschmack. K?
Armin
2016-11-23 20:46:12
Frisch rezensiert.
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