Metallica - Hardwired... to self-destruct
Vertigo / UniversalVÖ: 18.11.2016
And the brand played on
Metallica sind keine Band mehr, Metallica sind eine Marke. Längst ist der Apparat hinter dem Quartett auf eine beträchtliche Größe angewachsen, ganz zu schweigen von Bandbreite und Umsatzstärke des Merchandise. Immerhin konnte Frontmann James Hetfield im US-TV zuletzt Nachwuchs-Stars in Metallica-Shirts bewerten. Ach, Musik machen sie auch noch. Zwar immer seltener, aber Ehrensache, dass ihr zehnter Longplayer "Hardwired... to self-destruct" direkt auf die Chartspitze zusteuert, sogar ganz ohne große Aufreger um die Platte herum. Kein Filesharing-Disput, keine Kochtopf-Drums, kein Loudness war, kein "Lulu" – da müssen schon die zwischen irritierend und abstoßend hässlich schwankenden Cover-Varianten reichen, welche das Artwork der Vorgänger nochmals unterbieten. Und ein Albumtitel mit IQ auf Höhe der Zimmertemperatur fehlt auch nicht. Aber sonst? Es ist diesmal ungewohnt langweilig mit den Kaliforniern.
Was kann also nun die Platte, hinter der ein ganzes Business steckt? Im Vorfeld wurden jedenfalls von mehreren Parteien die altbekannten "Bestes Album seit..."-Transparente entstaubt, die noch von "Death magnetic" herumlagen. Metallica üben sich zumindest keinesfalls wieder darin, die Hassliebe ihrer alten Fans mit Experimenten auf eine Probe zu stellen. "Hardwired... to self-destruct" betreibt im besten Sinne Markenpflege und holt die ganze Metallica-Diskografie des alten Jahrtausends als Referenzpunkt mit ins Boot. Der Eindruck eines "Death magnetic" 2.0 kommt nicht von ungefähr. Die Platte nimmt den Staffelstab da auf, wo ihn "My apocalypse" 2008 abgegeben hatte: Der Opener "Hardwired" ist ein schnelles, konsequentes Brett und braucht nur drei Minuten, um den Standpunkt klarzumachen. Die Trademarks sind da: Ulrich kloppt geradeaus, Hammett schreddert dazwischen und Hetfield gibt kraftvoll seine gleichermaßen eingängigen wie blödsinnigen Zeilen zu Protokoll. Welcome home!
Was "Hardwired... to self-destruct" von "Death magnetic" unterscheidet, ist der unterschwellig vergrößerte Einfluss des Bluesrock, der das heftig umstrittene und letztlich unterschätzte Albumdoppel "Load" und "Reload" deutlich prägte. Keiner der zwölf Songs lässt sich zwar wirklich diesem Genre zuordnen, aber "Now that we're dead" oder "ManUNkind" – das erste Co-Songwriting von Bassist Robert Trujillo – greifen mit ihrem gedrosselten Tempo und gedämpften Rhythmus vorsichtig auf jene Ära zurück. Gerade auf die erste Begegnung wirkt "Hardwired... to self-destruct" daher teilweise gar verhältnismäßig zahm. Dabei beißen die Songs nur langsamer, aber umso fester zu. Spätestens wenn zum Beispiel "Here comes revenge" nach einnehmenden Strophen nach dem Mittelteil die Intensität hochschraubt, ist wieder alles eingetütet. Hier sind Profis am Werk.
Auch wenn man den Mann am Mikro selbstverständlich nach drei Millisekunden mühelos erkennt – Hetfield bemüht sich durchaus, in seinem Rahmen neue Akzente zu setzen. Für jedes markenbewusste "Confusionnn-ahhh" gibt es auch ungewöhnlich zarte Gesangspassagen wie am Anfang von "Halo on fire", seines Zeichens furioser Abschluss der ersten Hälfte. Innerhalb von acht Minuten wird die klassische Metallica-Dynamik von sanftem Beginn zu energischem Geboller ausgereizt, sogar zum Ende doch ein wenig harmonieselig in den Akkorden. Ähnlich packend zeigt sich das ausgefeilte "Atlas, rise!" samt mitreißendem, ausladendem Instrumentalteil am Schluss. Und der in cholerischer Rage prügelnde Rausschmeißer "Spit out the bone" kann sich ganz ohne Einschränkung auf die Fahne schreiben, zu den besten Metallica-Songs überhaupt zu zählen. Danach steht kein Stein mehr auf dem anderen.
Dass "Hardwired... to self-destruct" letztlich eben mehr ist als nur schnöde Image-Polierung, verdankt es solchen Großtaten, welche es als Gesamtwerk zumindest in die zweite Riege der Metallica-Werke hinter den frühen Meisterwerken hieven. Da werden zu verschmerzende Standards wie "Dream no more" und "Am I savage?" einfach im Kollektiv mitgezogen und fallen dadurch nach mehreren Durchläufen kaum negativ auf. Von dem Doppelalbum-Trara sollte man sich zudem nicht blenden lassen – die Spielzeit liegt wie bei allen Vorgängern innerhalb der letzten 20 Jahre knapp unterhalb der Kapazität einer CD. Und selbst wenn hier nichts den Innovationspreis gewinnt: Die Jubelschreie sind absolut angebracht. Der ganze Marken-Overhead gerät mit einem Album wie "Hardwired... to self-destruct" in den Hintergrund. Denn die Vier haben noch hörbaren Spaß an der eigentlichen Sache: dem Musikmachen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Atlas, rise!
- Halo on fire
- Here comes revenge
- Spit out the bone
Tracklist
- CD 1
- Hardwired
- Atlas, rise!
- Now that we're dead
- Moth into flame
- Dream no more
- Halo on fire
- CD 2
- Confusion
- ManUNkind
- Here comes revenge
- Am I savage?
- Murder one
- Spit out the bone
Im Forum kommentieren
fuzzmyass
2023-04-05 11:20:27
ich kann das Death Magnetic Bashing überhaupt nicht nachvollziehen... vollkommen unbegreiflich für mich :) Ausser der Loudness War Abmischung sehe ich keine großen Schwächen...
Gomes21
2023-04-05 11:11:36
Falscher Thread, gehörte natürlich in "72"
Gomes21
2023-04-05 11:10:34
Das ist es jetzt wirklich - das alllerallerhässlichste Albumartwork was ich bisher im Rockmusikbereich gesehen habe.
edegeiler
2023-04-05 11:03:30
Hätten Metallica die Tracklist noch etwas gestrafft, wäre Hardwired klar ihr bestes Album seit der Schwarzen.
Jop. Wie hier "Death Magnetic" abgefeiert wird, kann ich kaum nachvollziehen, die finde ich kurz vor unhörbar. "Lulu" hab ich nie zu Ende gehört. "Hardwired" ist ein gutes Album mit ein paar Längen.
fakeboy
2023-04-05 09:36:32
Lustig. Wollte grad schreiben, dass ich mal wieder festgestellt habe, dass "Atlas, Rise" der beste Metallica-Song seit 1991 ist. Beim raufscrollen gemerkt, dass ich das schon Ende 2021 geschrieben hatte...
Hätten Metallica die Tracklist noch etwas gestrafft, wäre Hardwired klar ihr bestes Album seit der Schwarzen.
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