Martha Wainwright - Goodnight city
[PIAS] Cooperative / Rough TradeVÖ: 25.11.2016
Familienbande
Neues von Familie Wainwright: Während Bruder Rufus zum Star der eigenen Reality-Soap auf Facebook verkommt, mal müde, mal hibbelig seine Fans per Selfie-Video quasi-umarmt oder Hillary Clinton ein leicht eklig-klebriges Ave Maria widmet, versucht es Schwester Martha mit: neuen Songs. Versuchen, weil die Hälfte der zwölf Songs auf "Goodnight city" nicht von ihr stammen, aber für sie komponiert wurden. Beth Orton hat etwa das schwummrige, bluesige "Alexandria" entworfen. Glen Hansard hat das kammerpoppige "One of us" beigesteuert. Sonst gibt sich die Kanadierin, die mittlerweile auch wieder mit ihrer Familie in Kanada weilt, geradezu altmodisch: Fest verankert in dieser musikalisch bewährten Triangel aus Folk, Pop und Country.
Wainwright wechselt, im Gegensatz zu ihren sonstigen Nabelschauen, ins Erzählerische: Da knistert es in "Look into my eyes" noch gefährlich zwischen Ihm und Ihr, worauf ein schönes Free-Jazz-Saxofon folgt, das an die verruchten Romanzen des Hollywood der 70er-Jahre erinnert. Bis der Gesang ins Französische wechselt. Blixa Bargeld glaubte ohnehin nicht daran, dass in einer anderen Sprache geküsst werden kann. Wainwright kann es. Wie sie auch mittlerweile die großen Klaviergesten ihres Bruders abgeschaut hat. "Piano music" heißt dieses betörende Drama, das eigentlich von Thomas Bartlett stammt, in dem zwischen vibrierender Stimme und schrillen Höhen gesprungen wird. Solche melodischen Kapriolen können noch entzücken, wie auch das stark an Tori Amos erinnernde "Window".
Leider verliert sich dieses Album dann im Anna-Karenina-Prinzip: Demzufolge gleichen sich alle glücklichen Familien, die unglücklichen sind hingegen verschieden unglücklich. Oder: Die glücklichen erweisen sich als ähnlich langweilig. Denn die Narben nach dem Tod der Mutter, verarbeitet auf dem erschütternden "Come home to Mama", sind das Übel, von dem sich "Goodnight city" allzu beschaulich abwendet. Da besingt Wainwright gleich mehrmals ihre Söhne, gerade in "Franci", der ungemein prächtig geraten sei und einfach nur Magie pur und schon als kleiner Junge so unglaublich viele Freunde hat, dass er ein wirklich feiner Bursche sein muss. Das wiederholt sich in "Francis", das Onkel Rufus zu verantworten hat, in dem der Junge mit Erlöserfähigkeiten Druckgefühle oder Unwohlsein zu heilen vermag. Dieses Idyll beglückt sicherlich die Familie Wainwright. Für alle anderen ist das verzichtbar, fad, vielleicht gar: langweilig. Und wurde musikalisch nicht gerade neuartig verpackt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Around the bend
- Piano music
- Alexandria
Tracklist
- Around the bend
- Franci
- Traveller
- Look into my eyes
- Before the children came along
- Window
- Piano music
- Alexandria
- So down
- One of us
- Take the reins
- Francis
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Spud Bencer
2016-12-01 21:46:42
Franci, Franci, Franci
Takenot.tk
2016-11-17 09:54:14
Naja, meine Meinung sollte ja offensichtlich sein angesichts meiner Begeisterungsstürme weiter oben. Für mich vergreift ihr euch da zu zweiten Mal dieses ja bei den Damen in den Punkten - zwar nicht ganz so krass wie bei Anna Ternheim, aber für mich ist dieses Album wirklich überraschend fantastisch und musikalisch unheimlich gut gemacht, gerade im Vergleich zum holprigen und aus meiner Sicht musikalisch enttäuschenden "Come Home To Mama", das seine 6/10 sicherlich verdient hatte. Das hier ist, für mich, deutlich mehr.
Armin
2016-11-16 21:25:42
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Takenot.tk
2016-11-14 15:25:50
Ja, die Vinyl hatte ich vorbestellt für den 25.11. - VÖ war aber wohl schon am Freitag, kann es via Amazon AutoRip schon runterladen und auch auf Spotify schon hören. Scheinbar haben sie die physischen Produkte nicht rechtzeitig an den Start bekommen?
Fabrisco
2016-11-14 10:20:11
Klingt ein urbanes Gutenachtalbum. Muss aber nichts Schlechtes sein.
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