John Southworth - Small town water tower
Tin Angel / IndigoVÖ: 14.10.2016
Über Songwritersongwriter und die Mühen
Alljährlich, im Vorfeld der Vergabe des Literaturnobelpreises, taucht dieser grausam-blödsinnige Begriff auf: Schriftstellerschriftsteller. Damit meinen einige prätentiöse Feuilletonisten solche Autoren wie DeLillo oder Pynchon. Und wollen damit umschreiben, dass diese Literaten insbesondere von Kollegen gelesen werden, ihre Prosa so anspielungsreich und indirekt ist, dass sie zuvorderst von diesen verstanden wird. Welch ein Quatsch. Jedes Buch schreibt die lange Geschichte der Literatur fort, jedes Album die der Musik und natürlich fußt beides auf dem, was Vorgänger erkämpft und welche künstlerischen Spielräume sie geweitet haben. Und, nur um zu beweisen, wie unsinnig eine Adaption des Begriffs ist: Den fabelhaften, englisch-kanadischen John Southworth als Songwritersongwriter zu bezeichnen führt nirgendwo hin.
Aber es wäre für einige wohl naheliegend. Denn er wird auch bevorzugt von seinesgleichen gehört, darunter Ron Sexsmith, Feist oder Chilly Gonzales. Einige kanadische Künstler haben ihn gecovert. Seine Songs sind durchtränkt vom guten Geschmack. Er verehrt das Great American Songbook, wie auch Bob Dylan, Bruce Springsteen oder Jacques Brel und Burt Bacharach. Dass seine Karriere bereits 20 Jahre währt, mögen selbst seine Familie und Freunde kaum glauben. Er reicht ihnen dann die feierlichen Rezensionen, gerade zu seinem besonders imposanten Doppelalbum "Niagara", wie als Beweis, dass er wirklich Künstler ist.
"Small town water tower" ist ähnlich cool, clever und groovy wie das vor zwei Jahren veröffentlichte Meisterwerk. Die zwölf Songs sind konziser, luftiger, weniger sperrig und dennoch würden andere Künstler ihre gitarrenpickenden Finger eintauschen, um nur ein derartiges Stück zu schreiben. Da wäre die süffisante Huldigung der Ombudsfrau mit kunstrockigen E-Gitarren. Da ist das lässige "Blue sleeves", in dem die Synthesizer von Leise nach Laut und wieder ins Leise tragen. Da ist das launige "Champion of love", in dem sich Jazz und Folk und elektronische Beats zu einer sachten Ballade mischen. Southworth bleibt Grenzgänger der Genres und Welten. Er selbst meint, einen mystischen Blick aufs Leben zu haben. Southworth besingt das vergangene und das zukünftige Kanada beziehungsweise Amerika.
Seine Episoden, die oft in konkreten Kleinstädten, dann wieder an Orten spielen, die überall sein könnten, formen eine einzige lange Geschichte. Und seine Alben ein einzelnes, hoch gewachsenes Werk. Im wohl größten Song dieses großen Albums, dem besonders eingängigen "When the angel" heißt es: "Just because that you can see it / Doesn't mean that you can feel it / Doesn't mean its power is not there / Just because that you can touch it / Doesn't mean that you can trust it / Doesn't mean that you're not in it to care." Beim Lesen der Zeilen dringt sich schon ein Rhythmus auf, auch ohne ihn zu kennen. Wie auch schon "Niagara" ist "Small town water tower" auf seine Weise geradezu mühelos spielerisch, verpackt das wirklich Komplizierte in die Einfachheit. Das macht den wahrhaftigen Künstler aus. Ein solcher ist John Southworth.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Blue sleeves
- When the angel
- Sapphire spirit
Tracklist
- Blue sleeves
- Ain't got time
- Champion of love
- Lucid love
- Make no mistake
- Ombudswoman
- When the angel
- Main library at Goodwood
- Walk with me
- Sapphire spirit
- Second childhood
- Last passenger pigeon in Ohio
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Gordon Fraser
2018-06-03 09:19:09
Das 2010er Album "Human Cry" bekommt im August ein Reissue: http://johnsouthworthmusic.ca/album/human-cry-2
Gibt viel zu entdecken im Backkatalog, "Sedona, Arizona" zB ist ein verdammt starkes Album.
Obrac
2016-12-16 14:03:49
Sehr gutes Popalbum.
Kling Klong
2016-11-17 00:47:58
P.S. Als dezentes Tribute an Leonard Cohen gab's ein feines Bird on a Wire (J. S. solo)
Kling Klong
2016-11-17 00:24:32
Bin gerade vom Gig in Köln zurück. War das ein schönes kleines Konzert! Die Songs vom neuen Album Small Town Water Tower kamen live teils noch stärker, organischer. Ganz wunderbar! Morgen in Hamburg, dann noch in Heidelberg und Luzern - wer kann, sollte unbedingt hingehen!
Kling Klong
2016-11-10 21:03:38
Das Album wächst mit jedem Hördurchgang. Toll, ich liebe so etwas. Freue mich jetzt noch mehr auf das Konzert nächste Woche!
P.S. Warum kommt die Rezi erst jetzt? Die Platte ist doch schon lange draußen!
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