Moonlight Breakfast - Time
Moonlight BreakfastVÖ: 21.10.2016
Liebe nörgelnde Musikhörer
Wie kann man Euch eigentlich noch zufrieden stellen? Mal ist Euch das Album zu poppig, dann wieder zu abgedreht. In den Texten soll nicht so dick aufgetragen werden, inhaltslose Texte übers Saufen und Feiern sind Euch dann aber auch wieder zu banal und wenn die zweite Platte den Stil des Erstlings weiterführt schrillen die Indie-Polizei-Sirenen ähnlich laut wie bei einer musikalischen Weiterentwicklung. Was tun als Band im 21. Jahrhundert? Es gibt zwei Möglichkeiten. Erstens: Zynisch über alle Social-Media-Kanäle auf die Welt schimpfen, Unmut verbreiten und nie wieder etwas veröffentlichen. Blöd? Ok, zweitens: Ein hochambitionieres Werk schaffen, das ungefähr so viele Stilrichtungen versammelt wie es Songs enthält und zum großen Schlag ausholen. Das Produkt der Realität befindet sich oft in der Mitte, nicht so aber das zweite Album der rumänischen Band Moonlight Breakfast: "Time" braucht mehr Genre-Schubladen als das größte IKEA-Regal und haut dem nörgelnden Hörer mit 16 Songs innerhalb einer knappen Stunde ein ähnlich großes Brett vor die Stirn.
Bei aller später auftretender Vertracktheit benötigen Moonlight Breakfast genau einen Schlag, um im Hit des Albums zu landen. Der Opener "Time" badet ohne Pardon in großspurigen Synthesizer-Flächen, bei denen Crystal Castles oder Chvrches bei ihrem Produzenten fragen, wieso sie denn jeweils bei der hundertsten Spur aufgehört haben. Sängerin Christie trägt den Song mit ihrer für den Stil untypischen Stimme zum Popkracher. Das ist sanft und klebt gewaltig. Trotzdem muss man als Liebhaber der handgemachten Musik nicht die Angst haben, Moonlight Breakfast heimlich als "guilty pleasure" hören zu müssen. Die Band hat handwerklich so einiges drauf und im Kindesalter haben die drei Musiker wohl eher Jazz-Schlagzeug als Blockflöte gelernt. Was folgt ist eine beeindruckende Reise durch die Subgenres der Popmusik. Bei "Don't" verzögert die Percussion Mal um Mal einen Schlag. Blubbernde Bässe liegen unter dunklen Keyboards und kreieren eine düstere, minimalistische Stimmung. Im großen "Perfect" kommen bösartige Stand-Trommeln daher und lassen das Militär am Klanghorizont erscheinen, bis ein verspieltes Klavier die Front zurückdrängt. Das Chanson-ähnliche "I feel like dancing" ist dank Jazz-Schlagzeug nur für Musikwissenschaftler tanzbar. Das Klarinettensolo im Mittelteil stellt die musikalische Welt in "Time" dann endgültig vollkommen auf dem Kopf. Jetzt packt Drummer Bazoonka da tatsächlich auch noch die Klarinette aus.
Ob hektisch wie in "Shake" oder ganz straight wie im sprudelnden "Today we are": Es wird gegroovt. Selten nehmen Moonlight Breakfast das Tempo raus, wie im zerbrechlichen "Go on", das den Jazz-Einfluss in traumhafter Art und Weise auf die Spitze treibt. Hier kommt die an Feist erinnernde Stimme von Christie besonders zur Geltung. Mit viel Soul und trotzdem dünn und klirrend trägt sie den Anfang von "Hero", der nur mit Percussion und tiefen Töne auskommt. In "Love Me" und im finalen "Lovesick" singt sie durch ein Megafon und verwandelt die Stereoanlage in eine Jukebox aus einem Schwarz-Weiß-Film der Nachkriegszeit. Kaum zu glauben, dass diese Band ein paar Minütchen zuvor einen Pop-Song wie "Time" rausgehauen hat. Diesen Kreis schließen Moonlight Breakfast mit einem fulminanten Ende. Nach einer kunterbunten Reise durch verschiedene Epochen und Rhythmen, verschießen die Rumänen ihr verbliebenes Pop-Feuerwerk. Das organische "You make me happy" versprüht Glücksgefühle, während "Countdown" erneut groß mit Elektronik auffährt. Am Ende einer kurzweiligen Stunde hat "Time" so viele Eindrücke hinterlassen, wie es wenige Alben tun. Das Meisterstück der Platte ist aber, dass es der ambitionierten Genre-Vielfalt zum Trotz ein enorm rundes Ding geworden ist. Liebe nörgelnde Musikhörer, setzt Euch hin, hört diese Platte. Das dürfte auch Euch gefallen!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Time
- Perfect
- Go on
- Countdown
Tracklist
- Time
- Perfect
- Don't
- Today we are
- I feel like dancing
- Fun
- Shake
- Go on
- Go get it
- Love me
- Hero
- Thrills
- Believe
- You make me happy
- Countdown
- Lovesick
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myx
2016-11-14 07:12:26
Hübscher Opener. Und auch die Rezension macht Lust aufs Album. Werde ich mir genauer ansehen.
Armin
2016-11-09 20:59:55
Frisch rezensiert.
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