Tom Chaplin - The wave

Island / Universal
VÖ: 14.10.2016
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Not everybody's changing

"Everybody's changing and I don't feel the same", stellte Tom Chaplin in einer frühen Singles seiner Band Keane fest. Stand heute lässt sich das jedoch nur teilweise unterschreiben. Zwar ist rein optisch aus dem ehemaligen Pummelchen ein wohlgeformter, attraktiver Mann geworden. Doch seine inneren Dämonen verfolgen ihn weiterhin. Musste der Brite schon während der Bandkarriere aufgrund von überhand nehmendem Drogenkonsum in die Entzugsklinik, kehrte die Suchtkrankheit in den vergangenen Jahren zurück. Grund war laut Chaplin die Nervosität, die er ob der Arbeit an seinem Solodebüt "The wave" verspürte. Doch nach einer weiteren Überwindung der Abhängigkeit stellte er sein erstes Lebenszeichen nach Keanes Auflösung – auf Neu-Englisch "indefinite hiatus" genannt – endgültig fertig.

In diesem Kontext fällt noch etwas in Ohr, das sich nicht geändert hat. "The wave" schließt im Sound nämlich astrein an die ohnehin nicht wirklich voneinander verschieden klingenden Keane-Platten an. Das liegt zunächst selbstverständlich an Chaplins Organ, der Mann hat nun mal eine unverwechselbare und wundervolle Stimme. Mit Leichtigkeit und Anmut schmachtet er sich durch die elf Stücke, als wäre "Hopes and fears" gerade gestern erst erschienen. Doch dazu noch nicht genug: Klavier, Streicher, behutsame Elektronikeinflüsse und Keyboards, zwischen dezent und bombastisch schwankende Percussion – das alles hat "The wave" als klangliche Unterlage in petto. Tom Chaplin geht auch solo auf Nummer Sicher, würde auf dem Album der Name Keane prangen, wäre das kein bisschen bemerkenswert.

Wenn der mittlerweile 37-Jährige aber offenbar schon bei der Komposition solch risikoarmer Stücke tiefste Nervosität verspürt, ist es möglicherweise ratsam für ihn, nicht noch zusätzliche Experimente zu wagen. Und in der Single "Hardened heart" hört man entsprechend, dass er die Blaupause des Herzkammer-Pops immer noch auf dem Kasten hat. Leichte Vintage-Stimmung entsteht, Streicher umschleichen Chaplin, der sich die Frage stellt: "It's a beautiful world / So why am I feeling so down?" Die mächtigen Trommeln im Refrain sind dann natürlich Ehrensache. Auch "I remember you" oder "Still waiting" sind ausdefinierte Konfekte, wie man sie schon von Keane kennt und schätzt – oder eben mit Grauen ablehnt. Je nach Standpunkt.

Dass Chaplin es dann und wann mit dem Bombast übertreibt, ist ebenso keine Neuigkeit. Gerade die zwei abschließenden Stücke "See it so clear" und der Titeltrack ersaufen förmlich im kitschigen Schmalz. Dann doch lieber ein wunderbar reduziertes "Worthless words", welches sich sogar mit ganz alten Großtaten messen kann und Chaplins Stimme richtig wunderbar in den Vordergrund stellt. "The wave" platziert sich insgesamt genau da, wo die Keane-Alben Numero zwei bis vier alle landeten: im soliden Mittelfeld, das Debüt "Hopes and fears" von unten betrachtend. "All our solid certainties have been shaken to the core", singt Tom Chaplin gen Ende der LP, ganz im Geiste des eingangs erwähnten Hits. Das mag auf sein Leben und seine Leiden sicher zutreffen, am Ende war es jedoch viel Tumult für eine solide, aber vollkommen tumultarme Platte.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Hardened heart
  • Worthless words

Tracklist

  1. Still waiting
  2. Hardened heart
  3. The river
  4. Worthless words
  5. I remember you
  6. Bring the rain
  7. Hold on to our love
  8. Quicksand
  9. Solid gold
  10. See it so clear
  11. The wave
Gesamtspielzeit: 42:35 min

Im Forum kommentieren

Felix H

2016-11-15 13:32:04

Ich finde "Hopes And Fears" immer noch ganz großartig, vor allem die letzten fünf Songs (der UK-Version, die deutsche wurde ja leider verhunzt).
Aus den drei Alben danach könnte man gerade mal ein ähnlich gutes basteln und "The Wave" bildet da auch keine Ausnahme.

Badly Drawn Boy

2016-11-15 13:07:48

Wow, ist ja sehr viel los hier. Aber na ja, was soll man schon sagen. Für Keane/Chaplin ist die Zeit eben allmählich abgelaufen. Hopes and Fears war damals ja noch ganz gut, mit seiner süßlich-betulichen Larmoyanz aber schon hart an der Grenze zum Kitsch, und danach kam nur noch Mittelmaß, das es nicht schaffte, aus der Masse an ähnlich klingender Musik hervorzustechen.

Armin

2016-11-09 20:58:54

Frisch rezensiert.

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