Bonez MC & RAF Camora - Palmen aus Plastik

Auf!Keinen!Fall! / Indipendenza / Chapter One / Universal
VÖ: 09.09.2016
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 3/10
3/10

Swaggersöhne

Hamburg ist wieder die Rap-Hauptstadt der Republik. Nicht wegen der Beginner, wenngleich ihr diesjähriges Comeback einigen Staub aufgewirbelt hat. Verantwortlich für die Renaissance der Hansestadt ist das Kollektiv 187 Strassenbande, dessen bekannteste Vertreter sicherlich Gzuz und Bonez MC sind. Letzteren als "Workaholic" zu bezeichnen, ist fast noch zu zurückhaltend formuliert. In irrer Frequenz veröffentlicht der Rapper Alben, EPs und Mixtapes, wobei er mittlerweile ein Abonnement auf die höchsten Chartpositionen zu besitzen scheint. Den bisherigen Höhepunkt dieser Geschichte markiert "Palmen aus Plastik", eine Kollaboration des Hamburgers Bonez MC mit dem Österreicher und Wahlberliner RAF Camora. Ein Album, das so erfolgreich ist, dass man es unmöglich ignorieren kann.

Seeed und Culcha Candela haben deutschsprachigen Dancehall populär gemacht, Bonez MC und RAF Camora heben die Messlatte auf ein neues Niveau. Derart souverän produzierte Beats hat man aus heimischen Gefilden selten gehört. Verantwortlich hierfür sind neben RAF Camora Szenegrößen wie KitschKrieg, Beataura und X-Plosive. Jeder Handclap, jeder Synthiesound sitzt perfekt. Natürlich ist die Musik auf Kommerzialität gebügelt, sie bleibt dabei jedoch erfreulich detailverliebt und facettenreich. Im Intro von "Mörder" wird beispielsweise "Seven nation army" angedeutet, bevor ein massierender Bass einsetzt. Freunde des Roots-Sounds werden zwar eher nicht glücklich, wer eingängiger Popmusik aufgeschlossen gegenübersteht, dürfte sich allerdings bestens amüsieren.

Tracks wie das unverschämt smoothe "Evil" sind der perfekte Soundtrack für Fahrten durch den Stadtverkehr. Besonders der Feature-Gast Tommy Lee Sparta weiß hier zu überzeugen. Autotune-Allergiker müssen sich jedoch in Acht nehmen: In beinahe jedem Song kommt der Stimmeffekt zum Einsatz, wobei bei Weitem nicht das Peinlichkeits-Level des letzten Afrob-Releases erreicht wird. Dass Trends wie Cloud Rap nicht spurlos an den Protagonisten vorbeigegangen sind, zeigen vor allem die langsameren Nummern. So würde sich auf dem glockenbetriebenen "Attackieren" ein Haiyti-Feature gut machen. Stattdessen aber durfte sich Hanybal mit einigen Zeilen verewigen, was eher wenig Eindruck hinterlässt.

Textlich gehen die MCs ohnehin auf Nummer sicher: Ein bisschen pubertäre Kiffer-Romantik hier, ein bisschen Gangsta-Gepose da. Kann man ahnen, hat aber ein arg befristetes Haltbarkeitsdatum. Die geringe Tiefe der Lyrics fällt dank der variablen Delivery jedoch nur selten störend auf. Einzig "Vaporizer" und "Dankbarkeit" sind so klischeehaft geraten, dass Menschen über 18 damit ihre liebe Not haben werden. Letzten Endes ist es aber egal, worüber Bonez MC und RAF Camora da rappen und singen. Sie machen Musik für den Moment – abgebrüht, souverän und mit einem großen Gespür für Ohrwurmmelodien. Den Platz an der Sonne haben sie sich verdient, auch wenn die "Palmen aus Plastik" sind.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Evil (feat. Tommy Lee Sparta)
  • Attackieren (feat. Hanybal)
  • Daneben (feat. Trettmann)

Tracklist

  1. Intro
  2. Ciao ciao
  3. Palmen aus Plastik
  4. Mörder (feat. Gzuz)
  5. Ohne mein Team (feat. Maxwell)
  6. Erblindet
  7. Evil (feat. Tommy Lee Sparta)
  8. Attackieren (feat. Hanybal)
  9. Killa (feat. D-Flame)
  10. Ruhe nach dem Sturm
  11. Vaporizer (feat. Trettmann)
  12. Dankbarkeit
  13. Skimaske (feat. Gzuz)
  14. Cabriolet
  15. Daneben (feat. Trettmann)
Gesamtspielzeit: 48:46 min

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