Efterklang & Karsten Fundal - Leaves – The colour of falling
Tambourhinoceros / IndigoVÖ: 04.11.2016
Kunst, mein Freund!
Ach Kunst, Du olle Zicke. Man hat's echt nicht leicht mit Dir. Kaum wendet sich eine talentierte Band wie Efterklang ein bisschen von Dir ab, um seit circa "Magic chairs" rum mehr auf Zugänglichkeit und Wohlklang zu schielen, schon lässt du Deine Anhänger in Scharen protestieren, das gehe ja mal gar nicht. Zugegeben, in der damaligen Rezension fielen sogar Coldplay und Snow Patrol im gleichen Satz, aber jenes Album und der Nachfolger "Piramida" hatten ja nun mit Verrat an eigenen Idealen oder ähnlichem Quatsch nichts zu tun. Was uns zu "Leaves – The colour of falling" bringt. Denn Efterklang haben ihre künstlerischen Ansprüche nicht aus den Augen verloren und ignorieren sämtliche Erwartungen. Das mit dem Komponisten Karsten Fundal entstandene Werk ist nicht weniger als eine Verquickung von Elektronik, klassischer Musik und Oper. Oder anders ausgedrückt: Ein Schlag in die Fresse eines jeden Meckerers über die angebliche Seichtwerdung der Truppe.
Elektro-Oper? Das hatten wir doch schon mal. Ganz klar ist der nächste Verwandte dieses Werks die schwierige, aber imposante Evolutionsbeschau "Tomorrow, in a year", auf der sich The Knife in Kooperation mit Mt. Sims und Planningtorock nach ihrem Durchbruch in Publikumsverstörung übten. Und auch "Leaves – The colour of falling" zerrt mit schrillem Gesang, harten Kontrasten und scharfer Dissonanz gewaltig an den Nerven. Mehrmals live aufgeführt im Sommer 2015 in einem nukleargeschützten Bunker in Kopenhagen, ist das vorliegende Album die Essenz dieses Spektakels – neben zukünftigen konventionelleren Konzerten. Der erste Eindruck mag dabei noch Harmlosigkeit antäuschen: "Cities of glass" beginnt mit angenehm fließendem Instrumentalteil, gar nicht mal weit weg vom bisherigen Schaffen der Dänen. Der Operngesang setzt nach ein paar Minuten ein, am Ende des Stücks sind dann alle gängigen Muster gebrochen.
Im Folgenden oszilliert "Leaves – The colour of falling" zwischen anstrengenden, minimalistisch arrangierten Kompositionen, bei denen der Fokus ganz auf den Vocals liegt, und perkussiven Passagen, die wenigstens etwas mehr Struktur als ersten Halt bieten. In diesem Dickicht, ganz ohne visuelle Unterstützung der Performance, ist man als Hörer allerdings hauptsächlich allein auf sich gestellt, um die vielen Wendungen und Wirrungen zu enträtseln. Diese finden im fast zehnminütigen "Eye of growth" ihren Höhepunkt: Ein reduzierter Gesangspart mündet in eine Art abstrusen Schunkelrhythmus, der jedoch schnell in Kakophonie und Chaos zerfällt, bis das Ganze am Ende zumindest bei einer harmonischen Coda ankommt. Die Architektur dieses Ungetüms wird auch nach mehreren Durchgängen kaum fassbar. Bleibt die Frage: Macht das überhaupt ansatzweise Spaß?
Definitiv hat "Leaves – The colour of falling" einige Passagen, die aufmerken lassen. Allen voran "The colour not of love", das einzige Stück, das sich tatsächlich in irgendeiner Form als Single eignet und ein wahrlich toller Song (!) ist. Oder das dramatisch-melancholische "Stillborn", welches mit Sopran und klangenden Streichern mitreißt. Im Gegensatz dazu steuert Nicolai Elsberg anschließend in "Abyss" einen wortwörtlich abgrundtiefen Bassgesang bei. Aber die Platte ist mit ihrer knappen Stunde Laufzeit tatsächlich mehr Arbeit als Spaß – und kann unmöglich nebenher laufen. "Leaves – The colour of falling" erfordert vollste Konzentration und sowohl eine Neigung zur Oper als auch zu abseitiger Elektronik und zum Aufbrechen von Strukturen. Wer die letzten Alben der Dänen mochte, wird hier nicht zwangsweise glücklich. Doch zumindest Anbiederung wird Efterklang aber hiernach erst mal niemand vorwerfen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Cities of glass
- The colour not of love
- Stillborn (feat. Katinka Fogh Vindelev)
Tracklist
- Cities of glass
- Imagery of perfection
- Spider's web
- The colour not of love
- Leaves (feat. Morten Grove Frandsen)
- Stillborn (feat. Katinka Fogh Vindelev)
- Abyss (feat. Nicolai Elsberg)
- No longer me (feat. Lisbeth Balslev)
- Eye of growth
- Wind
Im Forum kommentieren
Felix H
2016-11-03 08:54:51
Zum Vergleich schwebte für mich immer ein bisschen die großartige zweite Hälfte von The Knifes "Tomorrow, In A Year" im Raum (die erste finde ich ähnlich anstrengend wie "Leaves"). Da kommt tatsächlich nur "The Colour Not Of Love" ran, was wohl auch der einzige Song bleiben wird, den ich mir weiter regelmäßig anhören werde.
Pivo
2016-11-03 08:50:05
Das Teil ist ein echt schwerer Brocken. Ich liebe normalerweise die musikalische Herausforderung und arbeite mich auch gerne in Projekte wie dieses hier ein, aber da Oper nun prinzipiell nicht zu meinen Lieblingsrichtungen gehört, werde ich hieran wohl scheitern.
"Cities of glass" ist noch ein gut gemachter Crossover, "The Color not of love" ist eigentlich ein "normaler" Song von Efterklang mit nur geringem Operanteil in der Mitte und sehr angenehm zu hören und auch "Leaves" kann man noch gut hören (wahrscheinlich weil er nur etwas über 2 Minuten dauert).....
Die restlichen Stücke sind dann schon teilweise derart übel zugerichtet und mit dem klassischen "Ariengeschrei" gefüllt, dass es zwischendurch schon angefangen hat in den Zähnen wehzutun.
Mein Fazit: Wer sich wirklich (also wirklich wirklich) für diesen Stilmix begeistern kann, der kann sich mal eine Stunde Zeit dafür nehmen. Wer sowieso schon Schwierigkeiten damit hat Zeit zu finden um Musik zu genießen, der sollte die Stunde lieber mit seinem Lieblingsalbum verbringen. Wem "Cities of Glass" schon komisch vorkommt, der sollte sich den Rest erst gar nicht antun und sich einfach nur "The Color not of love" runterladen und fertig....
Ich, für meinen Teil, höre lieber nochmal die "Piramida".
Eine Wertung traue ich mir nicht zu, dafür ist das Album einfach zu speziell. Mir ist es zu sperrig, ich bin überfordert. Aber deswegen kann ich es weder loben noch wertungstechnisch zerreißen.
Armin
2016-11-02 20:58:10
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Armin
2016-09-28 17:44:05
Liebe Musikfreunde,
über das Visions Magazin haben die dänischen Efterklang das Video zur Single "The Colour Not Of Love" vorgestellt! Seht und verbreitet es über diesen Link:
"The Colour Not Of Love" präsentiert sich... audiovisuell als ein komplex arrangiertes Stück zwischen Artrock und Klassik und ist nur auf den ersten Blick ein sonderbarer Album-Vorbote." - Visions
Das neue Efterklang Album Leaves - The Colour of Falling ist eine Oper, die in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Karsten Fundal entstanden ist. "Leaves - The Colour Of Falling" erscheint am 4. November über Tambourhinoceros.
MasterOfDisaster69
2016-09-23 13:14:36
https://www.youtube.com/watch?v=GqR1SHw0oD4
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- Efterklang & Karsten Fundal - Leaves – The colour of falling (9 Beiträge / Letzter am 03.11.2016 - 08:54 Uhr)