Angelika Express - Alkohol
Peng / Unter Schafen / Al!veVÖ: 11.11.2016
Wir und 'n Appelkorn
Der Alkohol. Unendliche Pleiten. Dies sind die Abenteuer des Raumtorklers Angelika Express, der... nein, liebe Leser, so wird das nichts. Wir wollen schließlich nicht so tun, als wäre das Motiv des Hochprozentigen im Rock'n'Roll kein altbekanntes, sondern ein außerirdisches. Ungeachtet seiner Popularität unterliegt das Thema Alkohol jedoch schwerwiegenden Fehldeutungen. Manche denken beispielsweise immer noch, Alkohol sei eine Lösung – dabei handelt es sich in Wirklichkeit um ein Destillat. Ebensowenig gibt er Antworten, sondern bewirkt lediglich, dass man die Frage vergisst. Und wen man als Alkoholiker bezeichnet, der trinkt im Grunde genauso viel wie man selbst – man kann ihn bloß nicht leiden. Und schon weil jeder Angelika Express leiden kann, sind Robert Drakogiannakis und seine Mitstreiter umgehend von letzterem Ruch freizusprechen.
Dafür betätigen sich die Kölner auf ihrem siebten Studioalbum – sämtliche in Eigenregie gestemmten Digital-Releases inklusive – besonders konsequent als Chronisten aller (Quartals-)Säufer und Schluckspechte. Ein liebgewonnenes Steckenpferd von Drakogiannakis, der schon auf früheren Platten mit den Worten "Du trinkst zuviel" zur Mäßigung mahnte, bei "Verkaterter Dienstag" den Morgen respektive Nicht-Tag danach verhandelte – und auch am "Feierabend of destruction" saß das eine oder andere Gläschen drin. Und gibt sich die zum Quintett angewachsene Band nun durchgängig die musikalische Kante, macht das fast noch mehr Spaß als bisher. Auf die Frage "Kurze oder Longdrinks" kann es nur die Antwort "Beides!" geben, "Für Dich" wird zur im wahrsten Sinne des Wortes liebestrunkenen Hommage, und "Kohle für Cocktails" ist im Überfluss vorhanden.
Vorglühen? Damit halten sich Angelika Express gar nicht erst auf, konstatieren im Einstieg zu frenetischem Power-Pop und gutgelauntem Gereime "Menschen brauchen Alkohol" und legen mit dem rasanten Bubblegum-Indie-Hit "Wann lässt Du endlich los" sogar noch ein paar Umdrehungen drauf. "Phil Collins" ist hier nicht etwa der Typ, der fünf Mal am Stück dieselbe Arena ausverkauft, sondern ein Synonym für die anerkannte Kackmusik, zu der man hackedicht trotzdem bis zum bitteren Ende auf der Tanzfläche herumhampelt, und stehen die "Phazer auf Betäubung", verteilen sie statt Strahlenenergie billigen Fusel. Reizende Schnapsidee außerdem, dass sich das beschwipste Ska-Geschrummsel "Flachmann im Büro" ausgerechnet "Zehn kleine Jägermeister" von den Vorzeige-Punks aus der rivalisierenden Altbier-Metropole zu Gemüte führt.
Natürlich muss man Drakogiannakis und Kollegen diesen kleinen rheinischen Ausrutscher nachsehen – zumal sich nahezu jeder Song von "Alkohol" mehr oder minder deutlich auf berufene Vorbilder aus mal härterer, mal harmonischerer alternativer Gitarrenmusik zurückführen lässt. Hier ein Schlenker zu Kakkmaddafakkas "Restless", dort gewaltig aufgetürmter Dinosaur.-Jr-Krach, und natürlich dürfen auch Reminiszenzen an Teenage Fanclub nicht fehlen – die Gruppe, die der Frontmann ohnehin ständig mit sich herumträgt. Ebenfalls verziehen: "Elf Kölsch in 11 Sekunden" in der epischen Länge von – richtig – elf Sekunden und ein paar andere Albernheiten, über die man sich mit Existenzen wie "Erika Fahrbier" oder der gegen Ende noch einmal ordentlich lospolternden "Hangover Annelore" bestens hinwegtrösten kann. Das letzte Bier geht rückwärts.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Menschen brauchen Alkohol
- Wann lässt Du endlich los
- Phil Collins
- Hangover Annelore
Tracklist
- Menschen brauchen Alkohol
- Wann lässt Du endlich los
- Kurze oder Longdrinks
- Phil Collins
- Phazer auf Betäubung
- Flachmann im Büro
- Erika Fahrbier
- Du bist kaputt
- Für Dich
- Elf Kölsch in 11 Sekunden
- Kohle für Cocktails
- Hangover Annelore
- Das Biest ist frei
- Weiche Bombe
- Zur Theke am Ende des Regenbogens
Im Forum kommentieren
Christian G.
2016-11-04 16:48:57
Ich glaube das Album ist ein großer Spass. Die ersten Videos sind musikalisch gut und machen Lust auf mehr!
Robert G. Blume
2016-11-03 23:16:26
Muss ich mir erst schönsaufen.
Armin
2016-11-02 20:53:53
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Ach...
2016-10-11 19:13:44
...die gibts noch? Die hatten doch mal dieses Berlin-Lied. Die Platte war damals ganz ordentlich. Das hier ist leider mies.
Armin
2016-10-11 19:06:13
Angelika Express haben sich noch nie mit der popbranchigen Mittelmäßigkeit aufgehalten. Doch dieses Jahr nun verlegen die Kölner ihren allgegenwärtigen Ermächtigungseifer auf‘s nächste Level – und präsentieren nicht weniger als eine monothematische Platte über das Phänomen des Rauschs. Hochverdichtete Powerpop-Songs über Cocktails, Kurze, Kater, Euphorie und Untergang ergeben eine der erstaunlichsten Veröffentlichungen des Jahres.
Das Konzept-Album ist der letzte große Monolith in einer immer kleinteiligeren Rockkultur, es besitzt immer etwas Prätentiöses, ja, etwas zutiefst Monströses. Nicht zu Unrecht, schließlich kommt wenig Freude auf, wenn irgendwelche Typen mit schlechten Frisuren verkünden: „Das ist unser großes Werk über den Weltfrieden und einen Waisenjungen namens Jonathan – neun Songs, die zusammen eine einzigartige Geschichte ergeben.“
Sorry, aber da denkt doch jeder: Dann lieber gleich „Tabaluga“! Und so hat das Konzept-Album die letzten Jahrzehnte abgewirtschaftet, ist längst nur noch eine Fußnote der Geschichte, eine irgendwann gänzlich vergessene Kunstform der Popmusik. Schade eigentlich. Denn die Idee von einer Platte, die mehr ist, als die Summe der einzelnen Teile, besitzt nach wie vor etwas sehr Reizvolles. Doch wer zur Hölle könnte dieser Nummer zeitgemäß auf die Sprünge helfen?
Willkommen an der Theke am Ende des Regenbogens, willkommen bei Angelika Express und ihrem Konzept „Alkohol“. 15 Stücke zum Thema Trinken. Es geht um den Tag danach („Hangover Annelore“), das Mittendrin („Das Biest ist frei“), die Wehmut („Kohle für Cocktails“) oder auch nur um bis zur funkelnden Essenz eingeschmolzenen Hit-Miniaturen („Elf Kölsch in 11 Sekunden“).
Poppunk-Songwriter-Legende Robert Drakogiannakis ist dabei der Rausch allerdings nicht zu Kopf gestiegen, natürlich reklamieren seine Band und er hier nicht das Erbe von Queensrÿche „Operation Mindcrimce“ oder „Tommy“ von The Who für sich. Die für die Band typische ironische Brechung wohnt dem Projekt genauso inne, wie einfach der ausagierte Spaß, ganz bewusst das Korsett des gängigen Album-Narrativs zu sprengen.
Text: Linus Volkmann
Mit dem Song "Kurze oder Longdrinks" gibt es ein Musikvideo als Vorgeschmack auf "Alkohol".
Angelika Express - "Kurze oder Longdrinks" (Musikvideo)
Die Release-Party zum Album findet am 10. November im Sonic Ballroom in Köln statt.
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