Yello - Toy
Polydor / UniversalVÖ: 30.09.2016
Vorhölle auf Erden
"Viele Musiker werden von ihren Instrumenten gespielt." – "Da wir tagsüber arbeiten, stellen wir in gewisser Weise Nacht her." – "Putz karam sheoba kitsch daboum." Nur drei der mehr oder weniger denkwürdigen Sätze, die Yello im Verlauf ihrer Karriere von sich gaben. Oder vielmehr hauptsächlich Sänger und Sprachrohr Dieter Meier, der als freigeistiger Aktionskünstler und Unternehmer in Sachen neuartige Kaltextraktionsverfahren für Kakao, Bewässerungssysteme oder Bio-Rindfleisch immer schon etwas mehr um die Ecke dachte als andere. Auf "Out of chaos" gab er zuletzt das mal abseitig, mal lasziv grummelnde Faktotum des würdevollen synthetischen Lebemann-Pop – erstmals ohne Unterstützung von Kollege Boris Blank, der seinerseits das Malia-Album "Convergence" einschraubte. Zwei Mal großes Luftholen vor dem 13. Yello-Longplayer.
Auch auf diesem kommt der malawischen Soul-Sängerin eine Schlüsselrolle zu. Sei es als Solistin im ebenso köstlichen wie komplexen Disco-Klopfer "Cold flame" oder im lüsternen Duett mit Meier beim ausgefuchst Laid Backs "Baker man" rekapitulierenden "Starlight scene". Auch auf der comicartig angespitzten Single "Limbo", wo der Frontmann knatternd aus der vollelektronischen Vorhölle auf Erden berichtet, ist die Afrikanerin im Hintergrund zu hören und verleiht dem knochentrockenen Uptempo-Track einen Hauch grazilen Charme. Da können sich Yello auf den Promo-Fotos mit Nudelsieben und Antennen auf dem Kopf noch so sehr als übergeschnappte Gentleman-Minions inszenieren: "Toy" bleibt im Wesentlichen eine gediegene Geschichte. Oder wie Rezensent Ding es 2009 anlässlich "Touch Yello" formulierte: "vor allem imposanter Chic."
Nein, durchgeknallte Spielhallen-Boogies wie "Pinball cha cha", brachiale Brüllwürfel der Marke "Let me cry" oder der wüste Fuzz von "Si señor (The hairy grill)" sind in der Tat längst nicht mehr Sache der Schweizer. Der aggressive Witz ist zurückgefahren, und Gitarren gibt es allenfalls in akustischer Variante beim Südsee-Seufzer "Blue biscuit" oder als rhythmisches Geklacker, wenn Meier zum getriebenen digitalen Jazz von "30'000 days" über die eigene Vergänglichkeit nachsinnt – was man mit 71 Lenzen durchaus mal so machen kann. Und wer angesichts des 38-jährigen Bestehens des Duos versucht ist, von den "ewigen Yello" zu sprechen, findet Bestätigung in den Instrumentals "Pacific AM" und "Magma", die Blank auch vor knapp vier Jahrzehnten genau so hätte zusammencollagieren können – mit zwirbelndem Schnurrbart, versteht sich.
Doch auch anerkannte Hits der Bandgeschichte schauen sporadisch vorbei: Hier biegt kurz der knackig-verschachtelte Beat von "The race" mit 180 Sachen um die Ecke, dort lugt der Hawaii-Twang aus "Call it love" oder "Vicious games" aus den Stücken hervor. Andere Saiten ziehen "Tool of love" und "Dialectical kid" mit kaltgepresstem Maschinen-Funk auf, wobei letzterer Song Landsmännin Heidi Happy als zweite Stimme einführt. Und dass sich in den gravitätischen Schleichern "Kiss the cloud" und "Dark side" auch die Exil-Chinesin Fifi Rong mit verführerischen Vocal-Auftritten die Ehre gibt, trägt außerdem zum inzwischen gewohnt disparaten Gesamtbild eines musikalisch aber selbstredend hochwertigen Albums bei. Meier wird nur mit den Schultern zucken: "Dieser lächerliche Purismus ist völliger Blödsinn." Noch so ein mehr oder weniger denkwürdiger Satz.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Limbo
- Cold flame
- Starlight scene
- Dialectical kid
Tracklist
- Frautonium intro
- Limbo
- 30'000 days
- Cold flame
- Kiss the cloud
- Pacific AM
- Starlight scene
- Give you the world
- Tool of love
- Dialectical kid
- Dark side
- Blue biscuit
- Magma
- Frautonium
Im Forum kommentieren
Lugee
2016-10-23 16:04:30
Ich war mal schwer Yello-Fan, speziell der Alben 1 und 3. Insbesondere, wenn sie obskur und schräg waren. Aber das ist mir - korrekt rezensiert - viel zu brav und gediegen. Und leider nicht erst seit diesem Album. Schade! Und ich höre immer wieder mal THE LORRY :D
Armin
2016-10-19 20:54:30
Frisch rezensiert.
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