
John K. Samson - Winter wheat
Anti / IndigoVÖ: 21.10.2016
Herbstgefühle
Seine Stimme? Balsam für all jene geschundenen Seelen, die sich jeden Morgen – an Baustellenlärm und Novembernebel vorbei – ins Großraumbüro zwingen. Und natürlich auch für alle anderen. Seine Lyrics? Clevere, melancholisch-geistreiche Weltbetrachtungen, die selbst in so etwas Trivialem wie einer Abrissbirne Schönheit und Tiefe finden. Seine Band? Leider seit geraumer Zeit Geschichte. Aber auch ohne The Weakerthans beschreitet John K. Samson weiter erfolgreich den eingeschlagenen Pfad. Sein wolldeckenwarmer Folk versprüht immer noch großen Charme, berührt durch seine Herzlichkeit und sorgt selbst am verschnupftesten Herbsttag für zarte Frühlingsgefühle. Sein zweites Soloalbum "Winter wheat" macht im Wesentlichen also dort weiter, wo sein Debüt "Provincial" aufhörte. Und das ist zweifelsohne eine sehr gute Nachricht.
"Winter wheat" beginnt still, verhalten gar, mit dem schattigen "Select all delete": Samson lenkt seine Stimme wieder in das gewohnte Grenzgebiet zwischen feiner Melancholie und süßer Wehmut, der Song erfreut sich seines Daseins als selig schunkelnde Ballade. Für das folgende "Postdoc blues" zieht Samson die Geschwindigkeit an, serviert flotten Indie-Rock und knüpft dabei thematisch an "When I write my Master's thesis" vom Vorgängeralbum an. Den wirklich schönen Albumeinstieg rundet zuletzt der Titeltrack ab, der wohl nicht nur zufällig an die ruhigen Stücke des Meisterwerks "Reconstruction site"erinnert: Samson war, ist und bleibt Meister seiner Disziplin, inszeniert er hier, in diesen hinreißenden drei Minuten, doch formvollendeten Akustik-Folk, der eigentlich zu schön ist, um wirklich wahr zu sein.
Wie bereits in früheren Zeiten widmet sich Samson auch heute noch ungewöhnlichen Themen, singt im beschwingten "Oldest oak at Brookside" tatsächlich einer alten Friedhofseiche ihr verdientes Ständchen, beschreibt im reduzierten "Capital" das Leben von ausgebeuteten Ölarbeitern, die sich für einen Hungerlohn nicht nur die Finger schmutzig machen. Und begleitet ein weiteres Mal Virtute, die fidele Katze, die im abschließenden "Virtute at rest" von den Toten aufersteht. In Samsons Texten steckt über den Daumen gepeilt: ein Drittel Weisheit, ein Drittel Humor und ein Drittel Herzblut – was unter dem Strich genau die richtige Mischung ist für Menschen, die noch einen Funken Hoffnung in sich tragen. Egal, ob sich jene nun auf einen wärmeren Sommer, einen milderen Winter oder generell eine bessere Welt bezieht.
Experimente sind beim ehemaligen Frontmann von The Weakerthans natürlich Fehlanzeige, nicht wahr? Nun, dies stimmt so nicht, denn mit dem viereinhalbminütigen "Quiz night at Looky Lou's" integriert der Kanadier einen atmosphärischen wie düsteren Spoken-Word-Beitrag in den Songreigen, der letztlich im elegischen "Alpha adept" seine Auflösung findet: Hier endet der Versuchsaufbau, das Ergebnis ist harmonischer Indie-Pop, der auch Freunde von Death Cab For Cutie beglücken könnte. Denn wenn einer weiß, wie er seine Hörer um den Finger wickeln kann, dann Samson. "Winter wheat" ist nur ein weiteres Beispiel für seine Fähigkeit, möglichst viel Leben in kleine Songs zu stecken. Die fast fünf Jahre Wartezeit, die man nägelkauend verbracht hat, seien ihm letztlich also verziehen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Select all delete
- Postdoc blues
- Winter wheat
- Fellow traveller
- Alpha adept
Tracklist
- Select all delete
- Postdoc blues
- Winter wheat
- Requests
- Oldest oak at Brookside
- Capital
- 17th Street treatment centre
- Vampire Alberta blues
- Carrie ends the call
- Fellow traveller
- Quiz night at Looky Lou's
- Alpha adept
- Prayer for Ruby Elm
- VPW 13 blues
- Virtute at rest
Im Forum kommentieren
eric
2017-05-12 10:35:31
Werde in Wiesbaden dabei sein. :)
Marcel
2017-05-11 19:57:48
Wird jemand in Köln sein?
Armin
2017-05-11 00:13:20
John K. Samson & The Winter Wheat
05.05.17 Tower Bremen
06.05.17 Knust Knust
07.05.17 Lux Hannover
09.05.17 BiNuu Berlin
10.05.17 Ampere München
11.05.17 Orpheum Extra AUT - Graz
12.05.17 Szene AUT - Wien
13.05.17 Kiff CH - Aarau
14.05.17 Schüür CH - Luzern
15.05.17 Halle02 Heidelberg
17.05.17 Gebäude 9 Köln
18.05.17 O2 Islington Academy UK - London
19.05.17 Sound Control (hochverlegt) UK - Manchester
20.05.17 The Great Escape UK - Brighton
21.05.17 Trix BEL - Antwerpen
23.05.17 Zakk Düsseldorf
24.05.17 Gleis 22 Münster
25.05.17 Schlachthof Wiesbaden
26.05.17 FranzK Reutlingen
Schön war's in München. Mit "Night windows" als unerwartetem Schlusssong. Hin!
weak
2017-05-07 01:33:24
bootleg, please?
Blob
2017-05-07 01:17:50
Korrektur ! Statt "everything must go" gab es pamphleteer. Und opener war select all delete.
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