Kings Of Leon - Walls

RCA / Sony
VÖ: 14.10.2016
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Back from business

Es gab eine Zeit, und sie liegt gar lange zurück, da galten Kings Of Leon als das nächste große Ding. Heute irgendwie kaum noch vorstellbar. Die vier Herren erzählten kürzlich in einem Interview, dass ein Junge vom Parkservice ihres Lieblingsrestaurants in Nashville sie gefragt hätte, ob sie überhaupt noch spielten – "when I was in high school, you were huge", sagte er und sorgte mit diesen neun kleinen Worten dafür, dass sich sein Trinkgeld von fünf auf einen mickrigen US-Dollar verkleinerte. Beides – Frage wie Reaktion – sagt viel aus über Frontmann Caleb Followill und Co., und doch fragt man sich pünktlich zur Veröffentlichung des siebten Albums "Walls", ob sich wirklich nur die Band verändert hat oder vielleicht doch auch das eigene Hörverhalten. Wahrscheinlich beides.

Im Vorab-PR-Sprech zum neuen Werk hangeln sich die vier Followills jedenfalls an allen stereotypen, erwachsen gemeinten, aber am Ende doch nur banal klingenden Pseudo-Weisheiten entlang. Man habe sich zu sehr in eine geschäftliche Gemeinschaft verwandelt, sagen sie da. Der familiäre, brüderliche Zusammenhalt sei einer kalten, genervten Attitüde gewichen, der Spaß war weg, die Pflicht jedoch allgegenwärtig. All das sei jetzt ganz anders, sogar der langjährige Produzent Angelo Petraglia wurde im großen Hausputz von 2016 vor die Tür gesetzt und durch Markus Dravs ersetzt, der in der Vergangenheit auch schon für auf den Wellen der Belanglosigkeit surfenden Kapellen wie Mumford & Sons oder Coldplay hinter den Reglern saß. Back to the roots? Im Falle von "Walls" heißt es wohl leider eher back from business straight to Egalität.

Dabei ist Kings Of Leons Neue gar nicht schlecht, und zwar rostet alte Liebe natürlich doch ein bisschen, aber vergeht ja auch nicht immer gleich vollständig. Auch auf "Walls" gibt es sie, die kleinen und feinen Perlen, die es bisher noch auf jedes Album des Quartetts geschafft haben – mal mehr, mal weniger offensichtlich. Dieser Tage drängen sich die Highlights nicht allzu schnell auf, sondern warten den einen oder anderen Hördurchgang ab, schlagen dann aber umso mehr ein. Der Titeltrack etwa – klug ganz am Ende platziert, um für ein letztes, großes Aufhorchen zu sorgen – überzeugt und überrascht gleichermaßen: Eine ruhige, akustische Melodie und Caleb Followills durchweg klarer Gesang reichen hier aus, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, die kryptische Erzählung einer Begegnung mit "a Western girl with Eastern eyes" spielt da zugegeben nur eine Nebenrolle. Schunkelnd am Lagerfeuer mit den ehemaligen Schrammelrockern? Irgendwann werden wir wohl alle mal erwachsen.

Hier und da flackern sogar Erinnerungen an längst vergangene, aber nicht minder gute Zeiten auf: Der verwegene Garage-Pop von "Eyes on you" kommt selbst als versteckter Sommerhit freilich viel zu spät, sorgt aber dennoch für gute Laune, während "Over" mit Post-Punk-Zügen auf die dunkle Seite zu locken versucht und dabei nur allzu verführerisch mit dem Bass winkt. Und selbst der Opener "Waste a moment", mit dem die Followills so hemmungslos bei ihren eigenen, mittlerweile zumindest teilweise recht abgeschlafften und müden Radio-Singles klauen, lässt für einen Augenblick denken, dass sie doch noch die Kurve kriegen. In "Supersoaker"-Manier verirren sich Kings Of Leon hier in einer modernen Version des Sechzigerjahre-Rockabilly-Sounds, der natürlich genauso künstlich ist, wie das mordshässliche Albumcover aussieht. Aber für ein kurzweiliges Vergnügen reicht es allemal aus.

An anderer Stelle wird genau dieses Unterfangen schon etwas schwieriger. "Around the world" mitsamt seiner tropischen Rhythmen sorgt für höchsten Nerv-Faktor, den nicht mal der an sich gar nicht üble Refrain mehr retten kann. Etwas ruhiger, aber mit ähnlich riskanter melodischer Untermalung versucht es "Muchacho", dessen Gaul auf dem Weg in den Sonnenuntergang nach etwas mehr als der Hälfte schlapp macht und an akuter Monotonie verendet. Unverständlich, wie Kings Of Leon gerade zu Beginn der zweiten Albumhälfte so versacken können – auch das darauffolgende "Conversation piece" bleibt nicht mehr als eine zwar ganz hübsche, aber ebenso schnell vergessene Randerscheinung. Mit derart halbherzigen Versuchen, die mehr auf Nummer sicher als aus sich herausgehen, braucht man sich über einen vorsichtig nachfragenden Parkservice-Jungen jedenfalls nicht zu beschweren. Der wird sein Trinkgeld sicher auch besser anzulegen wissen als in "Walls" – für alte Erinnerungen gibt es ja zum Glück noch das etwas angestaubte Fotoalbum.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Over
  • Eyes on you
  • Walls

Tracklist

  1. Waste a moment
  2. Reverend
  3. Around the world
  4. Find me
  5. Over
  6. Muchacho
  7. Conversation piece
  8. Eyes on you
  9. Wild
  10. Walls
Gesamtspielzeit: 42:47 min

Im Forum kommentieren

Gomes21

2016-10-29 10:00:25

Die Kings of Leon sind als Truppe in gewisser Weise peinlich, nicht die Musik die sie machen und nicht die Leute die sie hören.

Tom Green

2016-10-28 15:26:27

@mopedtobias Das mit dem peinlich war ironisch gemeint. Der Rechtfertigungsdruck hat sich bisher bei jeder neuen Platte seit OBTN erhöht. Dabei muss ich sagen, dass ich den Sound jetzt (egal ob man die Entwicklung nun gut oder schlecht findet) als originärer ansehen würde, als auf den ersten beiden Alben. Da war dann doch eine Menge Strokes drin und nur die unvergleichliche Stimme von Caleb sorgte für den Wiedererkennungswert.

Rote Arme Fraktion

2016-10-28 14:26:37

Danke.

MopedTobias (Marvin)

2016-10-28 13:58:23

"Mainstream = peinlich" ist ein Gedankenkonstrukt, das ihr alle ganz schnell aus euren Köpfen verbannen solltet. Bzw auch generell, dass einem Musik, die man mag, aus welchen Gründen auch immer "peinlich" sein soll, denn niemand hat sich für seine persönlichen Präferenzen zu rechtfertigen.

Gomes21

2016-10-28 13:27:59

@ Tom Green

dass sie fast etwas peinlich sind trifft aber schon seit längerem auf die KOL zu, nicht erst seit diesem Album. Und es erklärt deshalb auch nicht alleine warum viele die Vorgänger nicht schon ähnlich schlecht fanden wie "Walls"...

Und wie erwähnt. Bei mir kam der "klick" durch ihre grottigen Live Leistungen, nicht ihre Mainstream Präsenz.

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