Conor Oberst - Ruminations

Nonesuch / Warner
VÖ: 14.10.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Same same but different

Es kommt immer anders als geplant. Diese Erfahrung musste auch Conor Oberst im vergangenen Winter machen. Eigentlich hatte er vor, mit Desaparecidos auf Tour zu gehen, auch um Abstand zu bekommen zu den falschen Vergewaltigungsvorwürfen, mit denen er sich das Jahr über herumschlagen musste. Aber dann streikte der Körper des Musikers aus Omaha, und er kurierte sich über die dunkle Jahreszeit in der Heimat aus. So lange Zeit zu Hause war er lange nicht mehr gewesen, zudem plötzlich ohne Pläne. Ein Album war nicht vorgesehen, aber als er sich ans Klavier setzte, hatte er innerhalb weniger Tage ein Dutzend Stücke zusammen. Und so wie er die Songs geschrieben hatte, nahm er sie auch auf: alleine an Klavier, Mundharmonika oder Gitarre an zwei Tagen.

An der Stelle macht das Herz vieler Fans von Bright Eyes einen kleinen Freudenhüpfer. Denn genauso hatte der US-Amerikaner als Teenager angefangen: Nur er, damals mit der Gitarre als Hauptinstrument, und seine Songs. Die Platten "Fevers and mirrors" und "Lifted or the story is in the soil, keep your ear to the ground" lebten unter anderem von dem Charme der kargen Arrangements und den Aufnahmen mit vielen Nebengeräuschen. Das ging spätestens nach den beiden Alben 2005 verloren, Bright Eyes wuchs zur Band an, der Sound wurde süffiger und gerader. 2007 dann der Neustart als Conor Oberst und wieder mit reduzierten Arrangements. Aber das Adressbuch des Schlackses ist einfach zu gut gefüllt: Auch hier wurden wieder mehr Leute integriert, kam zeitweise die Mystic Valley Band dazu, und schon war es das wieder mit dem rohen Charme. Also wieder von vorne. Aber reichen ähnliche Aufnahmebedingungen, um ein ähnliches Gefühl wie 15 Jahre zuvor einzufangen?

Der Einstieg mit "Tachacardia" ist gut gewählt: Das Klavier torkelt, die Stimme schwankt wie früher, aber hält sich. Auch die weiteren Highlights auf der Platte sind Lieder, auf denen sich der Gründer des Labels Saddle Creek selbst auf dem Klavier begleitet. Am stärksten ist "Next of kin" gelungen mit seiner berührenden Melodie und einem nachdenklichen Rückblick auf seinen Werdegang und seine persönliche Entwicklung. Es ist eine gefasste Retrospektive, eine gefasste Stimme und Stimmung nach dem Einstieg. Nein, es war nicht alles gut in der Vergangenheit, es sind viele Fehler passiert, aber wer weiß, wo man ohne diese wäre, und da, wo man ist, ist es ok, so, wie man ist, ist man ok, mit all seinen Defiziten. So singt er in "Next of kin": "Something dies when a star is born / (...) / Yeah I met Lou Reed and Patti Smith / It didn't make me feel different / I guess I lost all my innocence, way too long ago / (...) / But I made my way back home."

So berührt der Songwriter aus Nebraska auch heute noch, nur dass er im Unterschied zu früher gefestigter wirkt, ohne die Ausbrüche ins Hysterische. Das war mitreißend, natürlich, aber es wäre sicher nicht gesund für ihn. Alles hat seine Zeit, und ein verheirateter Mittdreißiger fühlt sich anders als ein Zwanzigjähriger. Ja, Oberst hat seinen Weg zurück nach Hause gefunden, zurück nach Omaha, zurück zu den spartanisch arrangierten Aufnahmen. Aber er ist ein anderer. Und das ist ok so.

(Johannes Mihram)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Tachycardia
  • The rain follows the plow
  • Next of kin

Tracklist

  1. Tachycardia
  2. Barbary Coast (later)
  3. Gossamer thin
  4. Counting sheep
  5. Mamah Borthwick (A sketch)
  6. The rain follows the plow
  7. A little uncanny
  8. Next of kin
  9. You all loved him once
  10. Till St. Dymphna kicks us out
Gesamtspielzeit: 37:58 min

Im Forum kommentieren

humbert humbert

2021-07-23 18:52:40

Ups, falscher Link:

... Bandcamp.

humbert humbert

2021-07-23 18:51:05

Die erweiterte Version gibt es jetzt auch auf Bandcamp.

humbert humbert

2021-06-20 11:51:13

Ah okay, ich dachte du meinst mit "Gefällt mir gut." das Album generell. Ich hoffe die Lieder kommen bald auch auf Bandcamp oder Spotify.

Jfanta

2021-06-20 11:31:17

Meine Antwort war auf die Bonuslieder bezogen. Ich mochte Ruminations schon immer mehr als Salutations. Das gleiche gilt für die neuen Versionen.

humbert humbert

2021-06-20 11:13:50

Aber wie sind die zusätzlichen Akustikvisionen der Salutationssongs?

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