Verdiana Raw - Whales know the route
Pippola / Audioglobe / Rough TradeVÖ: 23.09.2016
Dunkle Schattierungen
Bei ihrem Namen schwingt bereits ein besonderer Wohlklang mit: Verdiana Maria Dolce. Aber genau diesen Ersteindruck wollte die Toskanerin vermeiden, weshalb sie sich als Musikerin zu Verdiana Raw umtaufen ließ. Dies ist eine wichtige Unterscheidung zu ihren sonstigen Schaffensräumen von Filmsoundtracks über Theaterperformances oder dem Tun einer Musiktherapeutin. Glaubt man ihr, dann hatte gerade die letztgenannte Beschäftigung eine große Auswirkung auf "Whales know the route". Ihr zweites Album ist konziser komponiert als das erratische Debüt "Metaxy", auf dem expressionistischer Gothic und eine stockdunkle Stimmung alles andere übertünchten.
Nun also Wale, für Verdiana Raw die Leitwesen, mit denen sie sich als Mutter identifiziert. Durch noch so vertrackte Ozeane finden sie einen Weg. Und diese 29-jährige Italienerin baut sich daraus ein animalisches Totem, sind die Meeressäuger doch zeitgleich die schwimmenden Gedächtnisse der Welt. "Time is circular" beruht darauf, wie sich das Mutter-Sein von Generation zu Generation bei wechselnden Rollen erneuert. Poppiger Folk führt durch diese gesungenen Gedanken bei einer Stimme, die dunkel, dünn, zart ist und immer wieder in den schrillen Höhen einer Kate Bush landet. Soweit ist das ebenso geschmackvoll wie das gitarrenrockige "This disaster", aber zugleich ein klein wenig fad. Wirklich interessant wird "Whales know the route", wenn Verdiana Raw ins Klassische driftet, denn auf einem Klavierkonservatorium hat sie auch noch studiert.
"Saturnine hopes" geleitet in diese Direktive. Ein tröpfelndes Klavier wird von Lamentos auf der Geige begleitet. "Durme, durme" ist originär ein klassisches sephardisches Wiegenlied, ein ehrwürdiges Wehklagen der Diaspora. Verdiana Raw verzaubert mitsamt ihren orientalischen Geigen. Bis "Whales know the route" ein drittes Mal die Front wechselt und sich im mystischen "Amina's" sich der östlichen Ferne hinwendet. Verdiana Raw wird experimentierfreudiger. Die letzten Songs dieses Albums zerfransen sich, sie folgen einem choralen Bombast zu E-Orgel in "On the road to Thelema" oder vereinsamen in einer Violinspur im Instrumental "According to Satie". Der Widmung entsprechend, ist es ein pures Stück mit einer schlichten, schönen Melodie, wie es dem Meister der Minimal Music entsprochen hätte.
Am Ende heulen die Wale. Verdiana Raw fühlt im Titelstück der "Mondscheinsonate" von Beethoven nach, dazu raunt sie Unverständliches, bis ihr Wimmern und das der Meeressäuger sich vereint. Ein erfülltes Brummeln steht am Ende und ja, das war dann doch sehr eindrücklich.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Time is circular
- Durme, durme
- On the road to Thelema
Tracklist
- Time is circular
- Behind that ballerina dress
- The disaster
- Saturnine hopes
- Durme, durme
- Amina's
- Planets
- On the road to Thelema
- According to Satie
- Whales know the route
Referenzen
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- Verdiana Raw - Whales know the route (1 Beiträge / Letzter am 28.09.2016 - 21:03 Uhr)