Neurosis - Fires within fires

Neurot / Cargo
VÖ: 30.09.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der Brunstschrei

Viel hat sich erst mal nicht verändert im Hause Neurosis. Das Cover ihres elften Albums "Fires within fires" fügt sich ein in die Reihe der stimmungsvoll, aber leicht trashig gestalteten Plattenhüllen ihrer Diskographie. Hinter den Reglern saß wieder einmal Noise-Tausendsassa Steve Albini. Und die Musik? Klingt wie eh und je: laut, brachial, umwerfend. Eigentlich genügt es, den ersten Track "Bending light" zu hören, um zu wissen, wie der Rest des Albums ausgefallen ist. Halb aufgedrehte Amps und zaghaftes Schlagzeugspiel begrüßen den Hörer, der ahnt, was passieren wird. Nach einigen Minuten konzentrierter Aufbauarbeit entlädt sich die Spannung dann in einem Riffgewitter, wie es nur Neurosis fabrizieren können. So lassen sich die Haare auch trocken föhnen.

Doch wäre es unfair, der Band Stagnation vorzuwerfen. Der Teufel steckt, und das ist hier wörtlich zu verstehen, im Detail. Die Urgewalt ihrer Veröffentlichungen aus den Neunzigern werden die fünf Kalifornier so oder so nie mehr erreichen. Erstens, weil diese Pfade ausgetreten sind und zweitens, weil sie psychotische Gewaltorgien nicht mehr nötig haben. Stattdessen zelebrieren sie auf "Fires within fires" das Spiel mit der Dynamik, indem sie immer genau dann noch eine Schippe draufpacken, wenn ein Song beginnt, langweilig zu werden. Auch in Sachen Melodieführung sind die Mannen um Scott Kelly weitaus versierter, als der liebgewonnene Pressgesang des Frontmannes vermuten lässt. Unter der Oberfläche brodelt und rumort es, immer wieder erzeugen die Musiker beeindruckende Harmonien, indem sie ihre Brutalo-Riffs mit cleveren Lead-Ideen kontrastieren.

Was sofort ins Auge sticht, ist die Kürze des Albums. Fünf Songs in etwas mehr als 40 Minuten. Neurosis light? Mitnichten. Zwar befinden sich etliche Passagen, die man schon einmal so ähnlich von der Band gehört hat, auf der Platte, verzichtbar oder überflüssig ist aber keine der Kompositionen. So beginnt "Fire is in the end lesson" konventionell, bevor in der zweiten Hälfte die Flammenwerfer rausgeholt werden. Josh Homme guckt sicher neidisch, wenn er den Schlusspart hört. Auch die leisen Töne bekommen ihre Chance: "Broken ground" nimmt sich viel Zeit und schickt dem zwangsläufigen Krach einige Minuten der keyboardgestützten Einkehr voraus. Danach wird das Kaminfeuer nicht gelöscht, sondern der Kamin samt Haus weggesprengt.

Der Sound des Albums ist über jeden Zweifel erhaben. Wo Albini draufsteht, ist Albini drin: Mächtig schiebende Gitarren, unvergleichlich polternde Drums und mitten drin der stets einen Tick zu leise abgemischte Gesang. Wer mit den Klangvorstellungen des Eigenbrödlers nichts anfangen kann, wird auch mit "Fires within fires" nicht warm werden. Alle anderen bekommen eines der zugänglichsten und abwechslungsreichsten Alben der langen Neuroris-Historie kredenzt. Und mit "Reach" gelingt dem Quintett schließlich doch noch eine faustdicke Überraschung: So zurückhaltend und verletzlich gaben sich Neurosis noch nie. Schneller, höher, weiter? Das sollen die anderen übernehmen. Brennende Liebe rostet nicht.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Broken ground
  • Reach

Tracklist

  1. Bending light
  2. A shadow memory
  3. Fire is in the end lesson
  4. Broken ground
  5. Reach
Gesamtspielzeit: 40:51 min

Im Forum kommentieren

Given To The Rising

2020-05-11 17:23:49

At The Wel klingt noch so ein bisschen nach der alten Phase und klang live auch sehr gut. Ansonsten stimme ich zu.

Fiep

2020-05-11 17:05:41

Ja, die noise experimente hat die Honor... nur für mich verbinden sich die nicht mit der musik, sie wirken wie ein fremdkörper, der an die songs drangenäht wurde im experiment.

Ich halte beide alben weiterhin für gut und solide, waren nur die gründe wieso sie für mich einfahc nicht den effekt wie die alten haben.

Und die hoffnung bei honor sehe ich nicht. Oder, vielleicht doch: es klingt etwas wie nach der apokalypse, während die alben davor die apokalypse waren. Dawn of a new age quasi.

Als songs find ich die Fires within Fires trotzdem besser. Auch wen honor Bleeding the Pigs hat.

Keine ahnung ob noch was neues kommt, aber wenigstens kann ich sagen das wenn nicht mehr kommt, Reach ein guter Abschluss ist.

Given To The Rising

2020-05-11 16:55:36

Bei der letzetn stoßen mir neben den mies klingenden Growls die schlechte Produktion auf. Der Part am Ende von Bending Lights, der ein bisschen an Times Of Grace erinnern will, klingt schroff, dünn und unsauber.

Mayakhedive

2020-05-11 16:44:28

Ich hab ja die "Fires Within Fires" ja damals ausgelassen, weil ich von "Honor Found in Decay" ziemlich enttäuscht war.
Mittlerweile mag ich beide in ihrer Stimmung sehr. Die haben so etwas Gesetztes, was negativ klingt, mir aber gut gefällt.
Freu mich jedenfalls, die Band in letzter Zeit wieder für mich entdeckt zu haben.

Given To The Rising

2020-05-11 16:43:31

Am Anfang gefielen mir auch nur die melodiösen Stücke, Crawl Back In, Stones From The Sky, Given To The Rising, Origin, The Last You'll Know. Aber ich habe mich reingearbeitet.

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