Opeth - Sorceress

Moderbolaget / Nuclear Blast / Warner
VÖ: 30.09.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Wie gemalt

Metal ist keine Rebellion mehr. Hat zumindest Mikael Åkerfeldt mal gesagt. Und dafür in den einschlägigen Foren und sozialen Medien kräftig auf die Kauleiste bekommen, gottlob nur verbal. Die Zahl derer, die seine fundamentale Kritik am oftmals in den eigenen Konventionen erstarrenden Genre wirklich als solche einordnen konnten, war dann schon deutlich kleiner. Dabei geht der Frontmann von Opeth doch mit gutem Beispiel voran: Mögen die Schweden live oft und gerne Material von früheren, hochklassigen bis bahnbrechenden Alben zum besten geben, ist auf ihren neueren Tonträgern schon seit geraumer Zeit Schluss mit Krach und Death Metal. Und Åkerfeldt freut sich seit der stilistischen Kehrtwende "Heritage" von 2011 diebisch darüber, wie sich die vermeintlichen Experten das Maul zerreißen.

Insofern darf bereits nach wenigen Minuten Spielzeit festgehalten werden, dass "Sorceress" in seiner konsequenten Erwartungsverweigerung nun eben gerade nicht überraschend ist. Denn der Enthusiasmus, mit dem Opeth auf den letzten Tourneen ihre Death-Klassiker abfeuerten, zeigt vor allem, dass sie mit dieser Vergangenheit ihren Frieden geschlossen haben. Und die immer entschiedenere Hinwendung zum Prog, mit dem das zwölfte Album der Schweden beginnt, ist letztlich nur noch konsequent. Wahrhaft überraschend hingegen ist, wie freigeistig der Titeltrack nach feinperligem Intro vom Leder zieht. Mag Åkerfeldt selbst auch sein gestiegenes Interesse am Jazz als Basis nehmen, drängt sich unter diversen anderen Einflüssen zudem anfangs der flippige Canterbury-Sound der frühen Siebziger auf. Wäre da nicht dieses schleppende, geradezu bösartig drückende Riff, dass dem Song eine hypnotische Ebene verleiht, die so schnell den Gehörgang nicht verlassen will.

Reinster Artrock hingegen ist das folgende "The wilde flowers". Im Auto unhörbar, verleihen kleinste filigrane Spielereien dem Song unter dem Kopfhörer eine ganz besondere Magie, die sich immer wieder im Spannungsfeld von Yes, King Crimson und Band-Intimus Steven Wilson bewegt. Und wenn "Will o the wisp" schön folkig vor sich hinklimpert, taucht vor dem geistigen Auge mehr als nur dezent das Bild eines gewissen auf einem Bein balancierenden Querflötenspielers auf... Doch bevor hier allzu nostalgische Gefühle aufkommen, brettern Opeth mit "Chrysalis" eine irrwitzige Verfolgungsjagd durch die Geschichte des Prog um die Ohren, bei der auch aufmerksame Hörer wohl in mehreren Monaten noch neue Details entdecken dürften.

Was dann passiert, ist allerdings relativ neu für Opeth. Mit zunehmender Dauer wächst nämlich das Gefühl, als hätte Åkerfeldt beim Songwriting Mühe gehabt, seine überschäumende Kreativität zu sortieren. Die orientalische Note von "The seventh sojourn" zum Beispiel ist höchst zauberhaft mit einer kräftigen Zeppelin-Note, wirkt aber hier wie aus dem Zusammenhang gerissen. Und auch so manche Klavier-Spielerei ist arg anstrengend, fordert die volle Aufmerksamkeit – was für sich genommen nicht schlecht ist, aber den Hörer auf jeden Fall unter den Kopfhörer zwingt. Kaum hat man sich jedoch mit der entrückten Ruhe arrangiert, zerfetzen Jazz-Frickeleien die Ruhe, um von einem beinharten Riff zerlegt zu werden. Wenn es eine Blaupause für "Sorceress" gibt, dann ist es eben dieses "Strange brew": Zu keiner Zeit darf man sich hier in Sicherheit wiegen, immer wieder, fast schon zu oft streuen die Schweden irgendwelche grotesken Ideen ein. Das entfernt Opeth mehr denn je von den Metal-Wurzeln, bewegt sie aber konsequent zur ungeheuren Virtuosität des Artrock. Insofern ist "Sorceress" der ungezügelten Experimentierfreude von "Heritage" näher als den sauberer auskomponierten Songs von "Pale communion". Und doch sollten Opeth aufpassen, dass sie eben nicht mit jeder zweiten Platte ein akustisches Skizzenbuch veröffentlichen.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Sorceress
  • Chrysalis
  • Strange brew

Tracklist

  1. Persephone
  2. Sorceress
  3. The wilde flowers
  4. Will o the wisp
  5. Chrysalis
  6. Sorceress 2
  7. The seventh sojourn
  8. Strange brew
  9. A fleeting glance
  10. Era
  11. Persephone (Slight return)
Gesamtspielzeit: 56:42 min

Im Forum kommentieren

Klaus

2025-01-16 22:22:22

Schon so 7,5-8. Mag manchmal einfach so Proggezocke, der Vorteil bei Opeth ist halt ganz klar der dazu hörbare, sehr angenehme Gesang.

ToRNOuTLaW

2023-11-14 11:17:00

Heritage hat gute Ideen, aber kaum gute Songs, The Devil's Orchard mal ausgenommen. Da fehlt mir in den Songs Kohäsion, ein dramaturgisch ausgearbeiteter innerer Zusammenhang.

Pale Communion gefällt mir ganz gut.

Sorceress klingt für mich bis auf ein, zwei ausnahmen nach sehr generischem 70er Jahre Prog. Hommage, welche die Qualitäten der Vorbilder nur ankratzt. Gerade Sorceress spielt uninspiriert und wenig progressiv seine Riffs durch.

In Cauda Venenum ist für mich das stärkste Post-Watershed Album. Vielseitig was die Vibes der Songs angeht, heavy, und Mikael probiert sich gesangstechnisch über das Bekannte hinaus aus.

Enrico Palazzo

2023-11-14 10:20:51

Geht mir genauso. Alles ab Watershed zieht leider an mir vorbei.

The MACHINA of God

2023-11-14 10:13:55

Bei rym liegt auch nur die "Heritage" drunter. Bin in die Spätphase nach "Watershed" bisher gar nicht reingekommen, mal schauen ob sich das noch ändert

Enrico Palazzo

2023-11-14 10:11:05

Ich habe die Platte soeben nochmal gehört nach vielen Jahren und finde sie leider immer noch sehr langweilig. Nicht schlecht zwar, aber sie gibt mir halt nix. Mal gucken, ob es für mich mit 5/10 die schwächste Opeth-Platte bleibt, ich höre jetzt In Cauda Venenum.

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