
Keaton Henson - Kindly now
PIAS / Rough TradeVÖ: 16.09.2016
Mit der Musik verstecken
Dass Keaton Henson unter Lampenfieber leidet wird immer gerne erwähnt, um zu erklären, warum der junge Brite so selten Konzerte spielt, dem dortigen Publikum den Rücken zuwendet oder warum ihm weiterhin wenig Aufmerksamkeit zuteil wird. Dabei ist Henson, wie er kürzlich in einem Interview meinte, nicht nur angespannt vor 100 Zuhörern, sondern auch, wenn er vor einer Person sprechen muss. Unruhe und Beklommenheit sind seine Bedingung Mensch zu sein. Kein Wunder also, dass er sich am liebsten in seiner Westlondoner Bude verbarrikadiert, die Wohnung bloß verlässt, um neue Marlboros zu kaufen, die aufgeraucht auf seinem Fenstersims landen. Die vom Wind auf die Straße gestupsten Zigarettenstummel deuten die Passanten als Lebenszeichen dieses verqueren Kopfs.
Schon früh wurde Henson von seinen Eltern "Doomsday kid" genannt. "Kindly now" klingt – unter Berücksichtigung dieser Bedingungen – natürlich bekümmert und herzzerreißend. Dabei umfasst sein viertes Studioalbum die Reduktion der bisherigen: Auf dem Debüt begleitete sein zittriges Falsett noch eine melodische Gitarre, auf "Birthdays" durften die Saiten mal verzerrt werden, dann traten Streicher im famosen Instrumentalwerk "Romantic works" hervor, unterstützt von Ren Ford. Und "Kindly now" sammelt diese Richtungen, wie um Henson endlich vollends verschwinden zu lassen. Melodien werden zerstückelt, um sie noch schwerer fassbar zu machen oder es wird von ihnen abgelenkt, wie im Elektrogefriemel des Openers. Die Pianospur in "Alright", so dezent sie perlt, überdauert als ein Herantasten an einen wirklichen Song, auch wegen der zaghaften Violinen im Hintergrund.
Am Ende von "The pugilist" wiederholt Henson seinen eigenen Schaffensvers: "Don't forget me." Musizieren, dass mehr überbleibt, als die Idee des Menschenscheuen. Seine Stimme bricht, wird von Cellos überlagert und er kann sich endlich losreißen. Vieles wird geisterhaft durch Hall, leise im Hintergrund mahnende Chöre und den anschwellenden Instrumenten, die aber nie dem Bombast verfallen. "Comfortable love" steht durch lautes Schlagzeug schon beinahe für einen kämpferischen Song dieser sublimen Seele. "Kindly now" ist bei Weitem die aufwendigste Produktion, mit der Henson bisher zu tun hatte, da reichen nur wenige Töne des opulenten "Gabe". Leider spielen diese vielen Instrumente viel weniger Melodien, der Charme des Dunkelzimmers, mit dem Henson bisher punkten konnte, verwischt zu Orientierungslosigkeit, auch beim genäselten "Holy lover" mit seinem zig Schichten an gesungenen Harmonien. Das Ziel sich hinter der Musik zu verstecken ist Henson nie besser gelungen, feiner und zarter klang er hingegen schon häufiger.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Alright
- The pugilist
- Comfortable love
Tracklist
- March
- Alright
- The pugilist
- NW Overture
- No witnesses
- Good lust
- Comfortable love
- Old lovers in dressing rooms
- Polyhymnia
- Gabe
- Holy lover
- How could I have known
Im Forum kommentieren
Beefy
2017-11-09 10:56:47
Bist du nicht. War und ist bezaubernd und sehr berührend.
Wolf
2017-11-09 10:32:50
Wunderbares Album. Leider scheint auch das wieder niemanden zu interessieren. Bin ich mit meinem schlechten Geschmack wohl alleine hier unterwegs.
Armin
2016-09-14 21:14:27
Frisch rezensiert.
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