Wovenhand - Star treatment

Glitterhouse / Indigo
VÖ: 09.09.2016
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Nichts reimt sich auf Himmel

"Star treatment" – das kennt der kleine Mann, und es ist ihm ein Dorn im Auge, wenn Privatpatienten schon wieder bevorzugt behandelt werden. Doch David Eugene Edwards von Wovenhand ist vermutlich viel zu entrückt für alltägliche Befindlichkeiten. Erwartungsgemäß spielt der Titel im Sinne des Astralkultes auf nicht weniger als das Göttliche, das Menschliche und das Dämonische an. Im Laufe seiner Karriere hat der einstige Kopf von Sixteen Horsepower die ästhetische Selbstkasteiung perfektioniert wie sonst nur – ja, diese Referenz wird jedes Mal angeführt – Nick Cave. "Star treatment" erlaubt sich in dieser Hinsicht keinerlei Allüren, fällt jedoch nach "Refractory obdurate" im Detail offensiver aus.

So profitiert bereits der erste Song "Come brave" von der kompromisslosen, dringlichen Produktionsweise, der den grundsätzlichen und für Wovenhand-Verhältnisse überraschenden Pop-Appeal hervorragend unterstützt. Von ähnlichen Ohrwurmqualitäten zeugt "The hired hand" mit seiner verführerischen Basslinie und dem mitgröltauglichen Refrain: "Give up your dead / O give up your dead." Sensationell lüstern fällt "Crook and flail" dank der unschlagbaren Kombination aus Twang-Gitarren und Bechertrommeln aus dem Morgenland aus – ein Muss für jeden Bauchtanzkurs. Selbst relativ simple Folksongs wie "Golden blossom" werden von reichhaltigeren Texturen zusammengehalten, gekonnt fließen selbst für sich stehende schwere Gitarrenwände in den Sound ein, ohne an Leichtigkeit einzubüßen.

Obwohl Wovenhand seit geraumer Zeit in Metal-Zirkeln erstaunliche Beachtung finden, beweist einzig das von Zahlensymbolik getragene "Five by five" eine unmittelbare Nähe zu diesem Genre. Woher kommt die Aufgeschlossenheit für eine Band, die bislang eher Fans von Alternative Country und Folk ansprach? Spätestens "Star treatment" legt die Antwort offen: Es bestehen mehrere Lesarten. Sind die Songs auf textlicher Ebene selbst für religiös Ungebildete klar zu deuten – es geht im weitesten Sinne um Gottesfurcht –, vermittelt die Musik unausgesprochene Ambivalenzen und Zweifel und bedient sich hierzu unterschiedlicher Stilmittel. So fremd einem der Glauben als Antrieb sein mag, so mitreißend sind Wovenhand ähnlich wie schon Sixteen Horsepower für ein völlig durchmischtes, durchaus auch säkulares Publikum. In diesem Punkt beweist "Star treatment" Kontinuität und Fortschritt zugleich. Für eine Band, die sonst dem Vorwurf der Rückwärtsgewandtheit ausgesetzt wurde, ist das mehr als beachtlich.

(Sohiel Partoshoar)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Come brave
  • The hired hand
  • Crook and flail
  • Five by five

Tracklist

  1. Come brave
  2. Swaying reed
  3. The hired hand
  4. Crystal palace
  5. Crook and flail
  6. The quiver
  7. All your waves
  8. Golden blossom
  9. Go ye light
  10. Five by five
  11. Low twelve
Gesamtspielzeit: 53:53 min

Im Forum kommentieren

zurueck_zum_beton

2016-09-13 16:25:29

Hast recht, ja. Etwas verkürzt, meine Darstellung. Marriages' Debüt gefällt mir außerordentlich und hat mit Songwritertum natürlich nix gemein.
Aber einsame Frau an Gitarre (kurz begleitet von Geige) assoziiere ich unwillkürlich mit dem Klampfen-Genre.
Geschenkt, Grouper macht auch kein Singer/Songwriter, also alles richtig.
Steve von Till solo bleibt auch seinen Postmetal-Strukturen verhaftet, aber allein das fehlende Schlagzeug - genau wie bei Rundle - bewegt's natürlich sehr stark weg vom Ursprung.

sachma

2016-09-13 16:16:03

sie kommt auch nicht aus dem singer-songwriter bereich, sondern vom post-, alternativ-rock. daher sind diese effekte standard bei ihr ;)

zurueck_zum_beton

2016-09-13 15:49:22

Ja, sehr einnehmend. Die Gitarre ist mit lauter Hall und Reverb untypisch im Rahmen von Singer-Songwriter, dabei ermöglicht der flächige Klang es irgendwie, sich völlig im Raum zu verliern. Schafft Rundle dann im Laufe des Konzerts auch, die da sich in ihren Arrangements ziemlich zu verlieren scheint und stimmlich exaltiert rumgeistert.

sachma

2016-09-13 15:31:07

war emma ruth rundle support und wenn ja, gut?

zurueck_zum_beton

2016-09-13 15:18:54

Gestern starker, 90minütiger Euro-Tourauftakt im Gebäude 9: Sound dort immer eh stark verwaschen, aber das hat den Vorgänger "Refractuary Obdurate" aufnahmetechnisch schon sehr besonders gemacht. Davon sei im Besonderen die live-Umsetzung von "The refractuary" hervorgehoben: Was für ein Gerät!

Und jetzt sagt mir mal: Justin Greaves von Crippled Black Phoenix turnt da am Bass rum, wa?

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